Die Saga von Gertrude Heldenbrust
von Carsten Maday

Kapitel
[ 1 ]  [ 2 ]  [ 3 ]  [ 4 ]  [ 5 ]  [ 6 ]  [ 7 ] 
 

Was mir an Trude zuerst auffiel? Tja, das waren ihre Titten.
Ach, jetzt guck nicht so. Das geht doch jedem so.
Die sind doch enorm. Traut sich ja nur keiner zu sagen.
Ach, ähm, das schreibst du doch nicht auf, oder?

Uwe Bräger.
De rebus gestis Gertrudis pectoris fortissimi, Kap. 2.


Ich erwachte. In meinem Hinterkopf pochte ein bohrender Schmerz, als ich mich zu bewegen versuchte. Meine Arme waren taub und ohne Gefühl. Ich schlug die Augen auf. Ich sah einen undeutlichen Schimmer, der durch eine Art schwarzen Vorhang schien. Es dauerte einen Augenblick, ehe ich bemerkte, dass es meine schwarzen Haare waren, die mir im Gesicht lagen und mir den Blick verwehrten. Meine Zöpfe mussten sich gelöst haben. Ich wollte mir das Haar aus dem Gesicht streichen, aber meine Arme verweigerten mir dem Dienst. Ich warf den Kopf zurück und schleuderte das Haar nach hinten. Der Schmerz raubte mir beinahe das Bewusstsein. Als er langsam abklang, sah ich endlich, wo ich war. Ich befand mich in einem kleinen, muffigen Raum mit modrigen Wänden. Der Raum lag unterirdisch, so was spürt man als Zwerg ja. Eine trübe Lampe leuchtete neben der Holztür, die das einzig stabile Stück in diesem Raum zu sein schien. Morsche Möbelreste und kotiges Stroh lagen auf dem Boden umher.
>Hey<, kam es von nebenan. Ich wandte mein pochendes Haupt und schaute nach links. Dort stand die Albe angekettet an der Wand. Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken zusammengekettet worden. Die Kette lief durch einen Ring in der Wand und war lang genug, dass die Albe bequem stehen konnte.
Bei mir hatte man wohl an der Kette gespart und nur eine kürzere Nummer verwandt. Ein Mensch hätte wohl noch zu stehen vermocht, aber meine kurzen Beine baumelten eine Handbreit überm Boden, derweil ich an den Armen an der Kette herab hing. Ich musste wohl schon eine Weile so hängen, weil meine Arme ja bereits taub waren. Das war gut. So spürte ich nicht, wie sich die Schellen der Kette in meine Handgelenke bissen.
>Hey<, sagte die Albe noch einmal. >Alles in Ordnung?<
>Ja, soweit man das hier in Ordnung nennen kann<, entgegnete ich.
Sie lächelte. Ein Lächeln so schön, dass selbst in diesem Loch ein Funken Hoffnung erstrahlte, wie wenn ein erster Lichtstrahl durch einen unheilschwangeren Himmel dringt.
>So ist´s recht<, munterte mich die Albe auf. >Nie den Sinn für Humor verlieren. Ach ihr Zwerge, ihr...<
Das hatte mir noch gefehlt. Diese Alben. Die fanden doch alles, was kleiner war als sie lieb und nett. Von Trollen vielleicht einmal abgesehen.
>Wo sind wir<, fragte ich und versucht meine Finger über mir zu bewegen.
>Wir sind hier in der Kanalisation von Lormyr. Die Bande von Raimund hat uns gefangen.<
>Raimund?<
>Der hiesige Diebeschef.<
>Na, ist ja fabelhaft. Was kann der schon von uns wollen?<
>Na ja, als Sklaven verkaufen, beispielsweise. Etzhard ist einer von Raimunds Handlangern. Du bist ihm glatt in die Falle gegangen. Hast du denn meine Nachricht nicht bekommen?<
>Oh<, machte ich enttäuscht. >Die war von Dir?< Von wegen Verehrer. So ein Ärger. Wie zum Hohn blickte mich vom Boden aus einer Pfütze mein verzerrtes Spiegelbild an. Mein Haar war zerzaust, mein Schädel war viel zu kantig und die Narbe prangte sichtbar in meinem Gesicht. Nein, ich war wirklich keine Schönheit, dachte ich. Dabei war die Narbe doch recht ordentlich. Ich mochte sie sogar, weil der Schlag des Trolls mich nur etwas meiner Schönheit gekostet hatte und nicht das rechte Auge.
>Ich kriege nie einen Mann<, seufzte ich.
>Wie bitte?<
>Ach nichts. Sklaven ja?< Ich sah mich bereits in einem dieser exotischen Harems im Osten sitzen, den ganzen Tag drauf wartend, dass der Herr Gewaltherrscher mich beglückt. Brrr.
>Ihr Götter<, keuchte ich bei dem Gedanken. >Meinst du, sie werden, na ja...<
>Ja?<
>Ach, du weißt schon. Wir sind in der Gewalt von Männern und, ich meine, glaubst du sie werden...geschlechtlich?<
>Geschlechtlich?<
>Ja, genau. Ich meine, meine Jungfräulichkeit ist mir doch recht lieb und teuer. Da kommt keiner dran, weißt du? Nicht, dass es nicht schon etliche versucht hätten<, fügte ich sicherheitshalber hinzu, damit die Albe mich nicht für eine alte Jungfer hielt. Mit fünfundsechzig war ich im besten Alter.
>Ach so. Keine Sorge, glaube ich nicht. Raimund ist noch nicht zurückgekehrt. Ohne seine Erlaubnis wird sich keiner an mir vergreifen und du...oh...<
>Ja, was ist mit mir?<
>Ich meine, ja, keiner wird es wagen, sich einer attraktiven Kriegerin wie dir in ungebührlicher Weise zu nähern. Deine Schönheit ist eher herb..., nein, nicht herb, eher respektgebietend, weißt du?<
>Ist dir nicht gut, Albe?<
>Doch, doch.<
>So, warum hast du dann so einen roten Kopf und zitterst am ganzen Leibe?<
>Die Angst, verstehst du?<
>Natürlich. Sei ohne Furcht, Mädchen. Ich mach das schon.<
>Ich heiße Erie<, meinte sie.
>Gertrude Heldenbrust<, konnte ich noch sagen, ehe man es am Türschloss quietschen hörte. Die Tür wurde aufgestoßen. Etzhard und Horst traten in unsere muffige Zelle.
>Ah, erwacht, wertes Fräulein?<, grinste Etzhard und vollführte eine höhnische Verbeugung.
>Schwein<, maulte ich.
Etzhard trat an mich heran und schlug mir mit der flachen Hand übers Gesicht.
>Na, na, liebe Gertrude, das war aber nicht sehr damenhaft.<
>Lass sie in Ruhe, du Schuft<, rief die Albe.
>Pfui, meine Dame. Zügelt Euch, sonst wird Herr Raimund ein ernstes Wörtchen mit Euch reden.<
Er wandte sich wieder mir zu.
>Ah, Gertrude, sag uns doch in welcher Lokalität du abgestiegen bist.<
>Wozu?<
>Damit wir deine Sachen durchsuchen können. Wir wollen dein Gold.<
Natürlich, immer diese abgedroschenen Vorstellungen über uns Zwerge. Zwerge haben immer Gold. Also wenn ich welches gehabt hätte, wäre ich schon längst verheiratet gewesen.
>Ach<, sagte Etzhard, >wie heißt es doch übrigens so schön: Wir stellen hier die Fragen.< Damit wischte er mir erneut eine über meinen Mund. Ich spürte, wie die Lippe aufplatzte.
>Also, Gertrude, sag es uns. Es ist in deinem eigenen Interesse.<
>Gut möglich, aber ich habe kein Gold.<
>Na prima<, erwiderte Etzhard entzückt. >Dann kannst du uns ja ruhig sagen wo du wohnst, wenn du nichts dadurch zu verlieren hast.<
>Nein<, antwortete ich entschieden und handelte mir einen erneuten Schlag ein.
>Nein? Das verstehe ich nicht?<, wunderte sich Etzhard und rieb sich seine Schlaghand.
>Es geht hier wohl ums Prinzip, Arschhard.<
>Sehr amüsant, wirklich. Prinzipien. Ah, sehr gut. So etwas sollte jeder haben. Horst hat keine, was?<
>Nö, hab ich nicht, Ezthard<, brummte Horst, dessen Laune sich seit unser ersten Begegnung augenscheinlich nicht verbessert hatte.
>Und Skrupel hat er noch gleich viel weniger<, sagte Etzhard und machte eine einladende Geste zu seinem Leibwächter. >Horst, bitte.<
Damit trat Etzhard ein paar Schritte zurück und machte Horst Platz. Der ging die Sache gleich mit den Fäusten an und bearbeitete mich ordentlich. Ich glaube mich noch an die Schreie von Erie zu erinnern, die mal Horsts Brutalität und mal meine Sturheit lauthals verfluchte.
Lange dauerte die Sache nicht, denn ich war noch vom Schlag auf den Hinterkopf geschwächt. Als ich nach einem Fausthieb mit dem Kopf an die Wand knallte, verlor ich erneut das Bewusstsein.

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5365 Beiträge veröffentlicht!