gewöhnlich dem Vergessen anheim fallen
von riemsche

 

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mehr als 500 Jahre lang hielten sowohl die Kirche
als auch der Adel Sklaven mitten im Herzen Europas
bis heute setzen sich starke Kräfte dafür ein
dass die Geschichte nicht erzählt wird aber die Zahl derer
die darüber sprechen wollen nimmt stetig zu

in der Tat ist uns die Sklaverei auf europäischem Boden
zeitlich ebenso nahe wie deren Auswüchse in Nordamerika
Menschen die in die Sklaverei hineingeboren wurden
als Vermögen gekauft und verkauft werden konnten
wie auf der anderen Seite des Atlantiks hat derart Erbe
in Europa das Leben der Nachkommen über Generationen
hinweg geprägt und dennoch ist dieses dunkle Kapitel
unserer jüngsten Geschichte weder in den Schulbüchern
noch im kollektiven Bewusstsein in Wahrheit präsent

In Rumänien wurden die Roma als Tsigani bezeichnet
ein abwertender Begriff für Zigeuner und später Synonym
die sprachliche Wurzel ist vermutlich das griechische Wort
atsingani das die Unberührbaren oder Gottlosen bedeutet
sie solchermaßen als Feinde Gottes zu brandmarken
legalisierte infolgedessen europaweit ihre Verfolgung

noch ist man sich nicht im Klaren wie und warum die Roma
ins heutige Rumänien gelangten einig aber dahingehend
dass sie um das Jahr 1000 n.Chr. aus der nordindischen
Pun-jab-Region auswanderten mögliche Gründe dafür
sind schlechtes Wetter Katastrophen oder die Tatsache
dass sie als gedungene Soldaten und Handwerker
in der Ferne Arbeit suchen mussten auf jeden Fall
versklavten Herrscher von Herzogtümern wie die Walachei
Moldawien und Transsylvanien die dringend neue
Arbeitskräfte brauchten viele von ihnen in sehr kurzer Zeit
die mehr als 500 Jahre andauernde Knechtschaft der Roma
zog schwerwiegende und anhaltende Folgen nach sich

wenn Familien ein halbes Jahrtausend in Unfreiheit leben
wird eine bestimmte Mentalität von einer Generation
zur nächsten weitergegeben hat man beispielsweise
ständig das Gefühl weniger wert zu sein als andere
noch heute werden Roma primär als Parasiten angesehen
leben in ständiger Armut am Rande der Gesellschaft
haben keinen gleichberechtigten Zugang zu Bildung
oder Gesundheitsversorgung während die rumänische
ethnische Mehrheit selbstverständlich als die Guten gilt

Mihail Kogalniceanu ein rumänischer Politiker des 19.Jh.
beschrieb die Situation der Sklaven in dem Dorf
in dem er aufwuchs_ sie waren an Händen und Füßen
gefesselt einige hatten Eisenbänder um die Stirn
und andere um den Hals neben Auspeitschungen
gehörte auch das Aufhängen an den Beinen über Feuer
das nackte Stehen im Schnee oder eiskalten Fluss
und der Hungertod zu den Strafen offizielle Dokumente
schweigen sich über die Härten denen Roma
ausgesetzt waren aus aber sie geben Aufschluss
über die Mentalität der orthodoxen Kirche und des Adels

aus den Kaufverträgen der Sklavenmärkte geht hervor
dass ein kräftiger Roma-Sklave 1600 anno Domini so viel
wert war wie ein Pferd 1760 drei Roma so viel wie
ein Haus kosteten und 1814 _dem Jahr in dem Norwegen
eine freie Nation wurde_ für ein rumänisches Kloster
ein Sklave zum Preis von drei Büffel zu Buche schlug
die damalige und heutige Haltung der Kirche dazu
äußerst sich nicht nur in mangelndem Faktenwissen
sondern neuerdings zudem in brandaktuellen Berichten
glaubwürdiger Insider und Informanten dass sich an derlei
Verhalten bis dato nichts Wesentliches geändert hat

in Siebenbürgen wurde erst neulich eine Roma-Siedlung
mit Bulldozern platt gemacht um Platz für eine neue
Kirche zu schaffen die Bewohner auf eine Giftmülldeponie
am Rande der Stadt umgesiedelt entsprechende Beispiele
dafür dass Priester den Roma den Zugang verweigern
oder ihnen bis heute nicht erlauben ihre Muttersprache
zu sprechen sind dort immer noch grausame Realität

die Sklaverei wurde in Rumänien 1856 abgeschafft
die Klöster waren die letzten die diese Praxis aufgaben
etwa 250.000 Sklaven waren nun nicht mehr Eigentum
eines anderen erhielten aber keinerlei Entschädigung
kein Land oder andere Formen der Unterstützung
während ehemalige Sklavenhalter für verlorene Arbeit
seitens Regierung finanziell bei Laune gehalten wurden
wie im Süden Amerikas überlebte das rassistische Bild
das die Sklavenhalter von Menschen die sie einst
besaßen gezeichnet hatten noch lange nachdem keine
Ketten mehr zu sehen waren wurde zur Volksweisheit
dass man Romani nicht trauen könne sie notorische
Kriminelle mit geringer Intelligenz seien und ihre Frauen
eine animalische Sexualität besäßen die des Teufels sei

vor allem das Vorurteil sie seien Lügner ist so populär
dass man es kaum als rassistische Denkweise wahrnimmt
dem Glauben frönt dass Antiziganismus_ also Angst
und Hass auf Roma-Minderheiten die am meisten
akzeptierte Form des Rassismus ist _auch hier im Westen
einerseits wird behauptet die Roma würden lügen
wenn sie sagen sie seien arm auf der anderen Seite
heißt es sie würden von diversen finsteren Gestalten
im Hintergrund ausgebeutet wäre dies tatsächlich der Fall
ist es doch erstaunlich wie wenige Bereitschaft zeigen
den Opfern aus etwas zu helfen was sie vorab für moderne
Sklaverei halten und das Hauptinteresse darin besteht
diese möglichst schnell aus gängig Blickfeld zu entfernen

es gibt unzählige Gesetze die den Weg für die Deportation
und Verfolgung der Roma in Skandinavien ebneten
in Schweden wurde die Tötung von Roma 1637 legalisiert
im norwegischen Ausländergesetz von 1927 heißt es
Zigeunern und Landstreichern die nicht nachweisen können
dass sie die norwegische Staatsbürgerschaft besitzen
ist die Einreise in das Königreich zu verweigern
diese so genannte Zigeunerklausel wurde erst 1956 wieder
aufgehoben die genaue Zahl der während des Krieges
getöteten Roma mit 500.000 als Referenzpunkt beziffert

die Tatsache dass der Holocaust auch Roma betraf
ist weitaus bekannter als die Geschichte ihrer Sklaverei
dennoch dauerte es lange bis auch ihre systematische
Vernichtung als das vor Augen geführt wurde was sie war
ein Völkermord_ erst ab 1963 konnten traumatisiert
Betroffene eine zumindest materielle Entschädigung
durch die Bundesrepublik Deutschland beantragen und
obwohl es jetzt fast 170 Jahre her ist dass die Roma-Sklaven
befreit wurden sind wir von einer ähnlichen Aufarbeitung
dieses Teils unserer Geschichte meilenweit entfernt

Rassismus der auf Sklaverei beruht ist tief verwurzelt
findet Wirt und Mittel sich in jedes Kollektiv zu schleichen
Instrumente Richtlinien und Gesetze zu dessen Bekämpfung
lassen angesichts beschämender Grundsatzdiskussionen
bei Glühwein und Punsch nach wie vor zu wünschen übrig

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