auf ins 20. Jahrhundert
von riemsche

 

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Ein Engländer schwingt den Taktstock, führt das Symphonieorchester und s anwesend Publikum in unbekannte Gefilde - sowohl geographisch als auch musikalisch. ~ Commedia for (almost) 18th Century Orchestra nennt der Amerikaner William Bolcom sein kurzweilig ironisches Stück, welches in kleiner Besetzung aber mit Orchesterklavier und allerlei solistischen Aufgaben, Kadenzen die sich ständig wenden, spieltechnisch raffinierten Tricks, Zitaten und Aktionen spielt - einzelnen Orchestergruppen oder Solisten Masken im Geist der italienischen Commedia dell’arte aufsetzt. Alle agieren flexibel und geistreich, wie etwa in zarten Ländler-Figuren zweier Geigen und einem Cello, virtuos dazwischen fahrenden Horn-und Klarinettensoli, kollektivem Tumult und einem von dannen huschenden Streichermotiv. ~ Zum relativ überschaubaren Repertoire an Flötenkonzerten hat der Däne Carl Nielsen eines beigesteuert, das mit Kleinteiligem und Stimmungswechseln in Summe nicht sehr eingängig wirkt, in seiner spröden Art an Begleitung und Solisten unterschiedlich höchste Ansprüche stellt. Selten darf sich die oder der im Vordergrund in einer für das Instrument so typisch blühenden Weise entfalten, ändern sich doch ständig Charakter und Dynamik. Sauber und präzise artikulierend meistert die Pariserin Josephine Olech diesen etwas undankbaren Part. In Dialoge der Soloflöte mit anderen Blasinstrumenten wie der Klarinette, Oboe oder dem Fagott, selbst in die Solo-Kadenz des ersten Satzes über einem leisen Paukenwirbel, mischen sich einzelne Gegenstimmen. Manchmal aber ist sie einfach Teil des Orchesters oder hält sich im Hintergrund. Eine Art kompensierende Zugabe _ein Nocturne_ bezieht wieder das gesamte Orchester mit ein, verleiht der Flöte langen Atem, lässt was in ihr steckt in großen Bögen strömen. ~ Auch die dritte Symphonie von Sibelius_ übrigens haben der dänische und der finnische Komponist den Geburtsjahrgang 1865 gemeinsam – das Konzert stammt aus dem Jahr 1927 die Symphonie aus 1907 _wirkt zunächst so, als müsse sie sich erst finden. Dunkle Farben, viel Bewegung in den Streichern, Klangwelten und pulsierende Energie prägen den ersten Satz. Mit seiner klaren Linie und reduzierten Körpersprache hält Leo McFall die Fäden zu jedem Notenpult in Händen. Im Anschluss ein zart melancholischer Reigen, der ans Volksliedgut erinnert. Wieder dürfen die Holzbläser über m Pizzicato der Celli glänzen und überhaupt scheint Jean Sibelius speziell hier dem Klang der Celli besonderes Augenmerk geschenkt zu haben. Denn auch im Finalsatz bereiten sie gemeinsam mit den Bratschen den Boden, bis breitere Aufwallungen und explosive Steigerungen s gesamte Orchester aktivieren. ~ Als spezielles Weihnachtspräsent wählt der Dirigent, den Orchester und Publikum gleichermaßen ins Herz geschlossen haben, das Andante festivo – wiederum von Sibelius. Eine Streicherhymne voller Wärme und Sinnlichkeit, wo sich Musikerinnen und Musiker gemeinsam in die Lüfte schwingen und schlussendlich doch die Pauke das letzte Wort hat.

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