Märchenstunde
von riemsche

 

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Während die österreichische Seele oft zwischen Größenwahn und Untertreibung oszilliert, übte man sich vor dem Arlberg gern in der Mäßigung in allen Dingen. Vielleicht war man hie und da auf die eigene Bescheidenheit gar zu stolz - doch wo sich in Innerösterreich mancher Bürgermeister als Bundesminister und dieser wiederum als EU-Kommissar generierte, blieben die alemannischen Politoperetten gering an Zahl und schwach in der Erinnerung. Weiß man bei manchem Tiroler Seilbahnbaron mit Parlamentsmandat oft schon nicht mehr, welchen Schwachsinn er zuletzt gefordert oder welchen Wahnsinn er verteidigt hat, kann man _auch ohne Presseaussendungen zu durchforsten_ hierzulande noch Jahre später mit einiger Sicherheit sagen, was für n Bock wer wann geschossen hat.

Der Wolf ist s neue Kopftuch. Kein Stammtisch kommt ohne ihn aus. Deshalb stürzen sich politisch Herausgeforderte auf ihn, als wären sie Helden aus alten Mythen. Die ihn primär töten wollen, stellen sich gerne vor die Bauern, die Lämmer, das Volk. Der Wolf hat keinen Platz bei uns. Vermutlich stimmt das sogar, aber das spielt nur eine untergeordnete Rolle. Der Wolf hätte auch keinen Platz, wenn dieser vorhanden wäre. Drum muss er weg - ist ein dankbares Opfer, weil man ihn als Täter brandmarken kann. Wiederholt Bilder zerlegter Ziegen sprechen für sich – ihn schuldig. CSI und die Landwirtschaftskammer ermitteln. Und weil er so ein Übel ist, kann man auf ihn Dinge projizieren, fordert grüne Karten ein.

Der Wolf hat tatsächlich keine Krankenversicherung, weil er nicht aufenthaltsberechtigt ist. Seine Fürsprecher sitzen in Wien_ also dort wo er sich eh nie blicken lässt. Zur Abwehr verbaler Schattenboxer aus dem Osten hat Vorarlberg auf Landesebene entsprechende Gegenspieler gewählt. In dieser Funktion fühlt sich ein Landesrat berufen, die weltfremde Lupus-Lobby in die Schranken zu weisen. Denn laut Aussendung haben sich die in Wien logierenden Umweltorganisationen WWF und Ökobüro für den Wolf stark gemacht. Ein durch seine Unabhängigkeit politisch geschwächtes Landesverwaltungsgericht gab diesem Wiener Wildlife Fond und seinen praxisfernen Spießgesellen in erster Instanz Recht. Im Gegenzug übt s Ländle seinerseits alle Hoheitsrechte aus, die es gerade nützlich findet_ siehe Anti-Wolf-Verordnung. Dem Treiben kann so wie s ausschaut nur dann Einhalt geboten werden, wenn der Bund und Brüssel hilft, das Tier mittels Corona zu eliminieren - oder es ein Wasserstoffzug killt. Gott mit uns, die Botschaft klar: Wolf weg! und dennoch_

_wenn man die gefährlichsten Tierarten Mitteleuropas Revue passieren lässt, ist Isegrim keineswegs im Vorderfeld zu finden. Lässt man Krankheitsüberträger wie Insekten oder Parasiten, Nilpferde hinter Gitter, Giftschlangen hinter Glas und den Menschen außen vor, gibt s da ne klare Nummer Eins_ Canis lupus familiaris. Dem Hund. sprich besten Freund des Menschen, scheint man alles zu verzeihen. Nach tödlichen Attacken zauberten vor allem Privatsender sofort diverse Experten aus dem Hut, die weder von Listenhunden noch von aggressiven Rassen sondern bestenfalls von falscher Erziehung schwadronierten. Da Hunde offensichtlich eine Lobby haben und Joggerinnen oder Wölfe nicht, machte man schon tags darauf einer Halterin ob deren vorauseilenden Gehorsam und infolgedessen völlig sinnlosen Einschläfern ihres extrem bissigen Anvertrauten ernsthafte Vorwürfe.

Und wir reden hier von einer Lobby, die eine der größten der Alpenrepublik ist. Über 600.000 Vierbeiner sorgen in Österreich mittlerweile dafür, dass sich die Umsätze am Tiernahrungsmittelmarkt zwischen Bregenz und Eisenstadt der Milliardenmarke nähern. Dafür lohnt es sich zu verharmlosen. Schließlich bleibt uns immer noch der Vorfahre von Lumpi Rex & Co als Hassobjekt – hat zwar meines Wissens die letzten hundert Jahre keinen Menschen angefallen oder gar getötet, aber sollte dies einmal der Fall sein, frage nicht …..
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