Anschauungsunterricht
von riemsche

 

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Krisen, die wir derzeit erleben, reichen offenbar nicht aus, um moderne Gesellschaften auf einen Entwicklungspfad zu bringen, an dessen Ende eine Postwachstumsökonomie oder ein ökologisches Überlebensprogramm steht. Doch mit jeder Krise steigt die Anzahl derjenigen Menschen, die den Glauben an eine Fortsetzung unserer momentan bewusst gepflegten Lebensweise verloren haben. Das ist noch keine Mehrheit. Die Mehrheit wird nach Krisen wie üblich einen gewissen Nachholbedarf an den Tag legen - ein Klientel, das es sich locker leisten kann, dafür sorgen, dass man so lange wie möglich dem dekadent zerstörerischen Luxus huldigt. Nie waren Menschen so gebildet, so problembewusst, so politisch korrekt und haben gleichzeitig derart ruinös über ihre Verhältnisse gelebt. Je mehr Narrative einer technischen Lösbarkeit ökologischer Defizite präsentiert werden, desto überzeugender das Alibi, selbst nichts an seiner Art zu leben verändern zu müssen. Der Bezug zu individueller Verantwortung geht verloren, stattdessen hält eine Green New Deal Ideologie Einzug, auf die sich je nach Belieben und Dringlichkeit Probleme auf die Bequeme abwälzen lassen.

Eine möglichst wirtschaftliche Lösung, ein Konzept einer nicht auf Wachstum ausgelegten Ökonomie zu entwickeln, legt dem den s interessiert zunächst das Prinzip der Suffizienz nahe. Was hieße, sein Leben zu entrümpeln und den Schrott an Wohlstand auszumustern, der nur ne Menge kostet, Ökosphäre zerstört und unsere Lebensqualität nicht steigert, weil wir uns überstimuliert, gereizt und überfordert außerstande sehen, alles auszuschöpfen, was wir kaufen können. Es geht dabei nicht um Verzicht, sondern um eine Befreiung von überflüssigem Ballast. Durch ergänzende Versorgungsformen, welche die Wirtschaft verkleinern ohne dass es zu sozialen Verwerfungen kommt, eine sinnvolle Umverteilung zugunsten einer topp Work-Life-Balance und Sparsamkeit könnten dadurch frei werdende Zeitressourcen, eigenständige Instandhaltung, Reparatur und Gemeinschaftsnutzung dafür sorgen, Ressourcen und den eigenen Geldbeutel zu schonen.

Gleichzeitig gilt es, eine regionale Ökonomie zu fördern, in der kreative Unternehmen nach wie vor marktwirtschaftlich agieren und einen Teil der Produktion übernehmen – wie zum Beispiel den, der mit ökologischer Landwirtschaft, professioneller Instandsetzung und handwerklich orientierter Fertigung zu tun hat. Der Rest an benötigter Industrie dient dazu, einen reduzierten Güterbestand dadurch zu erhalten, dass nur nachproduziert wird, was nach Ausschöpfung aller _die jeweilige Nutzungsdauer verlängernden_ Maßnahmen nicht zu retten war. Selbstverständlich werden diese Waren nicht mit jenen identisch sein, die es zu ersetzen gilt. Denn In jede Neuproduktion fließt mittlerweile stattgefunden Fortschritt ein – das Vorurteil, eine nicht wachsende, insofern statische Ökonomie sei nicht innovativ oder fortschrittsfeindlich, entpuppt sich als Irrglaube.

Sieht man sich um, muss Menschen _egal wie alt sie sind_ ökologische Verantwortung für das 21. Jahrhundert vermittelt werden – in Theorie und vor allem in der Praxis. Wir sollten wieder lernen, handwerklich fähig zu sein, selbst Essen zu kochen, im Garten zu arbeiten und sesshaft zu leben – sich gewisse Dinge zu verkneifen, um überhaupt noch eine Chance zu haben, überlebensfähig zu sein. Die Politik ist dazu angehalten, sich an Ökobilanzen und Wissen zu orientieren. Was Menschen brauchen, um gut über die Runden zu kommen, setzt Rückbauprogramme voraus und die Hoffnung, dass immer mehr Aktivisten und Aktivistinnen für ein verantwortungsvolles Dasein nicht nur verbal, sondern auch sichtbar beispielgebend in Erscheinung treten_ Konflikte im Verlauf dessen sind unvermeidbar.

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