Die Kristallinsel Trilogie Teil 2
von Jörg Geuer

 

Die Kristallinsel Trilogie Teil 2




„Die Kristallinsel-Trilogie Teil 2"
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von JörgGeuer 02.07.2000 - 08.07.2000



Das Feuer im Kamin prasselte mit angenehmer Stetigkeit. Der alte Man stand auf um einen weiteren Scheit nachzulegen und der rötliche Schein des Feuers erhellte seine Züge für einen Moment. Tiefe Lachfalten hatten in seinem markanten Gesicht Spuren hinterlassen. Dann nahm er wieder Platz in seinem gemütlichen Sessel gleich neben dem Kamin.
"Opa?", riß ihn sein Enkel aus seinen Träumen.
"Ja?", meinte er ohne den Blick vom Feuer abwenden zu können.
"Du wolltest mir doch die Geschichten erzählen."
"Welche Geschichten meinst du denn?"
"Die von den Kristallinseln." und deutete dabei auf das ungewöhnliche Bild, das an der Wand hing. Es war in der Tat sehr ungewöhnlich. Darauf konnte man fünf Inseln in einem unbekannten Ozean erkennen. Eine von ihnen, die die in der Mitte lag war größer als die anderen vier, welche von dieser in allen vier Himmelsrichtungen abzweigten und nur durch Brücken miteinander verbunden waren.
"Ach ja. Die Kristallinseln.", murmelte er so vor sich hin.
"Ja das habe ich dir versprochen.", sein Blick wurde träumerisch.
"Und du bist sicher das du sie heute höhren möchtest?"
"Hm." und sein Enkel verlieh seinem Wunsch weiteren Nachdruck indem er ihn wortlos bittend mit großen erwartungsvollen Augen ansah.
"Na gut."
Er schälte sich aus seinem Sessel, der dankbar unter der von ihm genommen Last aufstöhnte.
"Dann komm mal mit mir hier rüber zu dem Bild."
Sein Enkel tat es und man konnte an seinen leuchtenden Augen sehen wie gespannt er war.
"Hat dir Mama erlaubt so lange wach zu bleiben? Es dauert nämlich ein bißchen bis ich dir die ganze Geschichte erzählt habe."
"Mama hat gesagt das ich heute länger aufbleiben darf."
"Na dann steht uns ja nichts mehr im Wege."

Der Alte Man hatte den Sprößling seiner Tochter auf den Arm genommen und zusammen standen sie nun vor dem ungewöhnlichen Bild.
"Was sind das für Inseln?"
"Das weißt du doch schon. Das sind die Kristallinseln. Die hier in der Mitte,", er deutete auf die Insel mit dem Algenhain," ist die Insel die alle miteinander verbindet. Auf ihr wohnen die langen, die man die hageren Inselbewohner nennt. Sie leben in einer Spalte, die man hier auf dem Bild leider nicht sehen kann, in Häusern die wie Schwalbennester gebaut sind. Die Algen wachsen bis zum Himmel hoch und ganz weit oben lebt der große alte Oktopus."
"Was ist ein Oktopus?"
"Nun, ein Oktopus ist ein ganz besonderer Tintenfisch. Wann immer Gefahr droht, dann verläßt er seinen Algenhain und warnt die Inselbewohner vor der Gefahr, indem er seine Tinte ausstößt und sie als die Tränen der Gefahr auf sie niederregnen läßt.", er machte ein Pause um seinen Worten die gewünschten Bedeutung zu geben.
"Und das hier sind die Regenbögenfrösche. Damals gab es sie nur auf der mittleren Insel aber durch ein Unwetter wurden sie auf alle fünf Inseln verstreut. Sie wecken die Inselbewohner am Morgen durch ihren Gesang und singen für ihnen am Abend.
"Und was sind das für Pilze?"
"Ach die Pilze. Die hatte ich ja fast vegessen.", lachte er.
"Bei dem Unwetter sind vogeleigroße Hagelkörner mit vom Himmel gekommen, aber es waren gar keine Hagelkörner."
"Was denn?"
"Es waren die Samen für die Pilze. Am nächsten Tag schon haben sie die Erde wieder durchbrochen und sind immer größer und größer geworden, bis sie so groß waren wie du sie jetzt siehst. Da staunst du was? Aber das ist noch nicht alles. Die Pilze erzählen den hageren Inselbewohnern Geschichten.
Jeden Abend sitzen sie zusammen und lauschen ihren Geschichten.
"Aber was hat das alles mit dir zu tun und warum erzählst Du mir das alles nochmal?"
"Ach ja richtig. Ich schweife mal wieder ab. Na gut. Fangen wir zur Abwechslung mal von vorne an. Eines Tages, es ist schon viele Jahre her... .", fing er an und die beiden setzten sich wieder in ihre Sessel am Feuer und der Blick des Alten versank wieder träumerisch in den Flammen des Kaminfeuers.
"Irgendwann Morgens war ich erwacht und hatte die Bilder der Kristallinsel ganz deutlich vor Augen. Für einen Traum war es einfach zu real, aber es mußte ein Traum gewesen sein. Ich konnte mich an alle Einzelheiten ganz genau erinnern. Auch die Insel, die Regenbögenfrösche, die Kristallhöhlen, der Algenhain, die hageren Inselbewohner und die Geschichten erzählenden Pilze, von denen ich, wie ich dir ja schon erzählt habe die schönsten aufgeschrieben habe. Jedenfalls war am Morgen als ich erwachte immer noch alles so real, als wäre ich dort gewesen und das war ich auch wie ich später erfahren sollte. Na, wie auch immer. Als ich das erste mal auf der Insel im Zentrum war und staunend hoch zu den Algen blickte, da sah ich eine Bewegung in ihnen, ganz weit oben. Da niemand da war, der mir meine unzähligen Fragen beantworten konnte, lief ich weiter forschend umher und fand bald die erzählenden Pilze die mir noch mehr Fragen gaben. Eine Zeit lang setzte ich mich an ihren Füße nieder und hörte ihren Geschichten zu. Sie erzählten den ganzen Tag lang und die ganze Nacht hindurch, jeder der Pilze seine eigenen Geschichten. Nachden die Sonne schon einige Zeit untergegangen war da sah ich wiedr den Schatten, der sich aus dem Algenhain löste und kurze Zeit später regnete es dunkle Tropfen. Dann ging alles ganz schnell. Über der Insel hatten sich die Wolken zusammengezogen und der Regen setzte nun voll ein. Es donnerte gewaltig und Blitze zuckten von oben herab. Als das Unwetter genau über der Insel war, da schlug ein Blitz mit voller Gewalt von oben herab aber er schlug nicht ein sondern wurde wieder zurückgeworfen. Ich hatte einen Lichtschimmer über der Insel gesehen, aber ich traute meinen Augen nicht. Dann geschah es wieder und wieder. Die Insel war von einem unsichtbaren Schutzschirm umgeben. Als ich mir sicher war, das mir nichts geschehen konnte machte ich es mir unter einem der Pilze erneut gemütlich und schlief lauschend ihrer schönen Geschichten schließlich ein. Am nächsten Morgen war das Unwetter spurlos verschwunden aber dafür standen einige ungewöhnlich dünne aber dafür um so längere Gestalten vor mir. Wir alle erschreckten uns im ersten Moment, aber als ich sah, das sie doch mehr Angst vor mir hatten als ich vor ihnen da versuchte ich langsam den Kontakt aufzubauen.

Wie gesagt waren die hageren Inselbewohner zu Anfang noch recht ängstlich, was sich aber bald legte als sie bemerkten, daß ich nicht da war um ihnen etwas anzutun. Es kostete mich zwar einige Geduld aber dann freundeten wir uns an. Ich akzeptierte ihre kindliche Scheu und sie mich als Gast, der ich ja auch war. Manchmal war ich sehr lange bei ihnen und manchmal nur sehr kurz; sie schienen den Bruch nicht so zu bemerken, so wie ich. Es schien so als gäbe es für sie gar keinen Bruch der Zeit.

Irgendwann dann wurde ich auf der ganzen Insel herumgeführt. Sie zeigten mir die Pilze und den Algenhain, brachten mich zu den gewaltigen Regenbögenfröschen und belächelten dabei meine unzähligen Fragen nickend. Dabei führten sie mich auch in die Höhle der Vergangenheit und es war einfach überwältigend was ich dort zu sehen bekam. Dort unten mußten an die Tausend Bücher verharren in niedergezeichneten Wissen, das brach lag und nicht genutzt wurde. Die Hageren zeigten mir zwei Bücher die mir ihre Geschichte näher brachte. In unzählgen Zeichnungen erzählten sie von der Entstehung der Inseln und wie die Pilze zu ihnen gekommen waren und was es mit den Fröschen auf sich hatte die überall auf den Inseln fröhlich herumhopsten. Da stellte sich mir die Frage, was sich denn in all den anderen Büchern befand. Meine Frage wurde leider nicht verstanden und so bemächtigte ich mich selbst eines der Bücher, das sehr alt zu sein schien. Die vergilbten Seiten erzählten von sechs Inseln, die einmal eine gewesen waren. Ein gewaltiges Seebeben hatte sie vor langer Zeit auseinandergerissen. Fünf der Inseln waren nahe beieinander geblieben aber eine von ihnen war weit weg getrieben worden. Drei der Ureinwohner befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch auf ihr und ihre familiären Bande wurden durch das Beben jäh auseinandergerissen. Seitdem hatte sich die See wieder beruhigt und auch die Inseln hatten ihr eigenes Leben wiedergefunden. Die fünf , die nahe beieinander geblieben waren, hatten sich miteinander verbunden und die abgertiebene Insel hatte sich allein entwickeln müssen. Traurig, wie ein allein gelassenes Kind hatte sie sich daran gemacht ihr Schicksal zu meistern.

Auf den folgenden zukunftsweisenden Bildern konnte man scheinbar das gleiche Bild erkennen, aber wenn man genau hinsah, dann konnte man auch sehen, daß die seperierte Insel sich jedesmal näher an den fünf anderen befand.

Der aus den jeweils vier schönsten Kristallen der Iseln gespeiste Lichtring hatte sehr schnell an Leuchtkraft eingebüßt und so mußte ich meine Forschungen leider recht schnell abbrechen. Wir verließen die Höhle der Vergangenheit jedoch nicht, bevor mir die hageren Inselbewohner versprochen hatten mich wieder mit hierher zunehmen. In der folgenden Zeit waren wir noch einige Male hier tief unter dem Algenhain in der Höhle der Vergangenheit eingekehrt und hatten noch so Einiges über die Inseln herausbekommen, als wir eines Tages auf die Pilze stiegen um die Kristalle zu erneuern. Hierbei handelte es sich um ein Verteidigungssysthem, wie man mir erklärte, das ich ja bereits in der ersten Nacht auf der Insel bei dem Unwetter schon aktiv erlebt hatte. Dies hatten die kindlichen Inselbewohner ganz allein aus den Zeichnungen in den Büchern herausgefunden und umgesetz. Durch die Installation der Kristalle auf den gewaltigen Häuptern der Pilze entstand bei Unwetter eine Kuppel des Lichtes, welche die Lichtpfeile, wie sie sie nannten, zurückschickte. Als wir dann oben auf dem Häuptern der Pilze standen und die Kristalle austauschten ließ ich meinen Blick unbewußt über den Horizont gleiten.
Von hier oben hatte man einen atemberaubenden Ausblick über die zentrale Insel und auch über die angegliederten vier sowie natürlich dem schier grenzenlosen Ozean. Mittlerweile war es recht spät geworden und als ich auf die westliche Insel blickte, da begann ein Schimmer sie zu durchfahren. Saphirblaues Licht machte sie transparent und fand ihre Flucht durch eine kleine Öffnung. Durch dieses Licht da nahm ich eine kleine weit entfernte Silouhette war. Zu Anfang wußte ich noch nicht, ob mir meine Augen nur einen Streich gespielt hatten oder ob es dort draußen am Horizont tatsächlich etwas gab.

Als ich wieder einmal auf der zentralen Kristallinsel war, da bemerkte ich wieder einen Schatten auf der spiegelglatten Oberfläche des unbekannten Ozeans. Die hageren Inselbewohner hüpften tänzerisch um mich herum und lenkten so meine Aufmerksamkeit in andere Bahnen, so daß ich bald meine neuen Erkenntnisse vergessen hatte.

Über die Insel wußte ich nun recht gut bescheid, denn sie hatten mir alles gezeigt und was nicht, das hatte ich mir aus den Zeichnungen der Bücher herausgelesen.

Ich wechselte noch einige Male zwischen den parallelen Realitäten hin und her, hatte aber immer das unbestimmte Gefühl das sich etwas im Gange befand. Ich hatte aber vergessen was es war und als ich wieder auf die Kristallinsel zurückkehrte, da empfingen mich die Inselbewoner ungewönlich aufgeregt. Was diese Unruhe ausgelöst hatte wußte ich nicht, bis sie mich selbst darauf aufmerksam machten. Und tatsächlich bestätigten sich meine unterdrückten Befürchtungen. Was ich damals als heranwachsenden Schatten gehalten hatte, daß entpuppte sich nun als die sechste Insel, die mit unglaublicher Stetigkeit auf uns zusteuerte. Von Tag zu Tag wurde sie immer größer, bis sie nur noch ein paar Kilometer entfernt war.

Es handelte sich ganz sicher um die sechste Insel, die sich im Zyklus von jeweils etwa einer Woche um ein paar hundert Meter den Kristallinseln näherte. Bald war sie so nah, daß man sie mit bloßem Auge recht gut erkennen konnte und schon eine Woche später war es soweit, das wir sie fast erschließen konnten.

Die Insel, wovon ich vermutete, daß es sich um die sechste handelte, die vor langer Zeit durch das gewaltige Seebeben von den anderen fünf weggerissen worden war sah in ihrer aüßeren Vegetaion ähnlich aus wie die anderen doch irgendwie erschien alles ein wenig verfremdet zu sein, irgendwie gestaucht. Zwar befand sich auch auf dieser Insel ein Algenhain, aber dieser war nicht so groß wie der auf der zentralen Insel. Die sechste Insel hatte auch keine weiteren vier Kristallinseln in jeder Himmelsrichtung dafür aber landzungenartige Inselvorsprünge, die bis weit in den Ozean hineinreichten. Und durch diese Landzungen sollte es uns auch schließlich ermöglicht werden sie zu betreten.

Aus der Distanz heraus hatten wir bereits Kontakt zu den Inselbewohnern aufnehmen können. Sie schienen recht klein zu sein, dafür aber um so breiter. Als wir in Sichtnähe waren und ich eines Abend im untergehenden Licht der saphirblauen Kristalle am Strand stand, da kam mir die Erkenntnis, das dies alles eigentlich sehr logisch war. Die Insel dort drüben, die sich wohl lange Zeit über unerwünsch enfernt hatte und die jetzt wieder nach Hause zurückgekehrt war, mußte sich über Generationen hinweg allein entwickeln und da ihr der Platz fehlte da war alles eben ein bißchen kleiner ausgefallen. Die Inselbewohner, die ihre Energie nicht in die Höhe gesteckt hatten sondern in die Horizontale, die Kristallinseln, die nur zu Halbinseln reichten und auch der kümmerliche Algenhain. Mit Sicherheit würden wir, wenn wir sie das erste Mal betraten, auch auf kleine Frösche treffen und vielleicht sogar auf die erzählenden Pilze, die uns hier die Abende unterhielten. Mit diesen Überlegugen stand ich am Strand der zentralen Insel, auch noch als die Zeit der Kristalle der Liebe gekommen war und die hageren Inselbewohner bereits in Harmonie am Schlummern waren. Irgenwann, ich weiß nicht mehr wie spät es gewesen war, riß ich mich aus dem beruhigendem Geräusch der anbrandenden Wellen und begab mich zu meinem zugewiesenen schwalbennestförmigen Heim und fand bald darauf auch träumerischen Schlaf.

Am folgenden Tag weckten mich die erfreuten Rufe und die ausgebrochene Geschäftigkeit der kindlichen Hageren. Vor Müdigkeit wankend erschloß ich mir den Weg aus meiner Hütte, kletterte mühselig über die Kante aus der Schlucht und fand die fidele Menge an den Klippen im Westen. Sie waren alle sehr aufgeregt und gestikulierten wild in Richtung der Insel. Als auch ich rüber sah, da fand ich das gleiche Bild auf der anderen Seite wieder. Über Nacht war die Insel endlich erreichbar geworden und auf ihr stand ein kleines kompakt wirkendes Grüppchen das zu uns hinüberwinkte.

Zusammen hatten wir in den letzten Tagen eine lange Strickleiter geknüpft, die kurz darauf rübergeworfen wurde, damit man sie drüben verankerte. Als dies geschehen war stand nun der lange herbeiprophezeiten Vereinigung nichts mehr im Wege.

Die neue Verbindung war kurz darauf hergestellt. Beide Seiten zögerten nur noch ein wenig, wer von beiden denn als erster den Zugang erschließen sollte. Da sie sich noch zierten und in mir die Neugierde brannte, lief ich zu ihnen hinüber. Als ich drüben auf der anderen Seite war, da bestätigten sich meine Vermutungen des Vorabends. Die runden kugelförmigen Inselbewohner waren noch scheuer als die auf der zentralen Insel lebenden bei unserem ersten Kontakt und versteckten sich dann doch lieber einmal. Dieser Umstand gab mir genügend Zeit mich erst einmal umzusehen und meine Vermutungen bestätigt zu finden. Auch hier befand sich, wie man ja schon weitem sehen konnte, ein Algenhain und als ich meinen Kopf nach oben hin reckte, da sah ich gerade noch, wie ein kleiner verschreckter Oktopus sich in ihm zu verstecken suchte. Ein Lächeln glitt über mein Gesicht als ich ihm den Rücken zukehrte und mich auf die Suche nach den Pilzen und den Regenbogenfröschen machte. Die Frösche hatte ich recht schnell gefunden und sie waren wirklich ehr kümmerlich in Bezug auf die auf unserer Insel. Pilze fand ich auf dieser Insel jedoch keine, auch keine kleinen. Bald traf ich bei meinem Rundgang auch auf die Kristallhöhlen, die allerdings so klein waren, das man gerade mal eine Öffnung so breit wie meine Hand hatte. Dann gelangte ich zu ihren Behausungen, die auch wie Schwalbennester geformt waren, aber in ihren Durchmessern dementsprechend größer ausgearbeitet. Jetzt, als ich mich ihren Heimen genähert hatte, da zeigten sie sich, wohl aus Angst, daß ich etwas zerstören könnte, was natürlich nicht in meiner Absicht lag. Von diesem Zeitpunkt an ließen sie mich nicht mehr aus den Augen sondern folgten mir auf Schritt und Tritt. Zu Anfang ignorierte ich sie einfach, da ich mir ein Bild über die Insel und ihre Gewohnheiten machen wollte. Dann, als ich dachte, daß ich alles Wichtige gesehen hatte, da versuchte ich mit ihnen Kontakt aufzunehmen. wie schon bei den hageren Inselbewohnern waren auch diese anfänglich recht verstört. Mit dem Finger zeichtnete ich etwas in den Sand und sie kamen näher als ihre Neugierde größer geworden war als ihre Furcht. Ich dachte mir nichts dabei, denn für mich war es nur eine Möglichkeit ihre Aufmerksamkeit zu erregen und das gelang auch. Schon bald wagten sie sich näher heran und legten ihre runden Köpfe schief in der Überlegung, was ich denn von ihnen wollte. Da sie mich die ganze Zeit über beobachtet hatten, wußten sie auch, daß ich nichts kaputt gemacht hatte oder auch nur berührt, mal abgesehen von der staubigen Erde jetzt und das machte sie mutiger.

Nachdem ich weiter so im Sand gezeichnet hatte, da bemerkte ich selbst überrascht, daß ich eine Zeichnung aus den Büchern der Vergangenheit im Sand verewigt hatte. Dabei handelte es sich um einen Grundriß bzw. die Zeichnung davon, die von den sechs Inseln erzählte, bevor sie auseinander gerissen worden waren.
Eine der Inselbewohnerinnen war zu mir hinübergekommen und begann selbst in den Sand zu zeichnen. Schnell hatten wir eine gemeinsame Basis für unsere weitere Komminikation gefunden und dies bemerkt fanden bald auch die anderen ihren Weg zu uns. Sie zeigte ihnen endgültig, daß ich nichts Böses im Sinn hatte und brach auch die letzten Dämme ihres Argwohns. Kurz darauf kam auch eine kleine Gruppe der Hageren zu uns hinüber.

Nach einiger Zeit und einigen schüchternen Annäherungsversuchen war nahezu jegliche herrschende Distanz gewichen und bald darauf fand ein reger Austausch der verwandten Kulturen statt. Die Abende verbrachten wir von nun an zusammensitzend bei den leuchtenden erzählenden Pilzen auf der zentralen Insel. Zwar konnten sie alle noch nicht richtig reden, aber verstehen konnten sie recht gut. Ich nahm mir vor ihnen auch das Sprechen und Lesen beizubringen, damit sie eine gesunde Basis besaßen sich gegenseitig Wissen und Erfahrungen näherzubringen.

Es war schon recht belustigend sich das Bild im Schein der erzählenden Pilze anzusehen. Die Silhouhette ihrer sprang von den Hageren zu den runden dunkel umrundeten Rücken, die sich in Gestiken wanden und bogen.
An diesem erfolgreichen Abend wollte ich nicht bei ihnen sein. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das diese neu zusammengefundene Familie ihre eigene Zeit für sich und ihre gemeinsame Zukunft brauchte. Also wandte ich mich ab von ihnen und nahm meinen Weg runter zu dem harmonisch gelegenen Strand auf, an dem ich schon am Abend zuvor gesessen hatte und machte es mir gemütlich. Zufrieden ließ ich das Anwallen des Meeres zu mir vordringen, erfreute mich an dem Bild das die untergehende Sonne auf die Wolken zeichnete und freute mich darüber einen Schritt zu ihrer Zusammenführung geleistet zu haben. Trunken von diesem befriedigenden Gefühl hatte ich gar nicht bemerkt wie sich mir jemand von hinten her genähert hatte. Erst als ich einen Schatten in meinen Augenwinkeln wahrnahm, da bemerkte ich, dass ich nicht länger allein war. Die Inselbewohnerin, die sich meinen zeichnerischen Fähigkeiten als erste angenommen hatte stand nun gleich neben mir und ließ sich langsam im noch warmen Sand neben mir nieder. Ihr fragender Blick, warum ich denn nicht bei den anderen war forderte mich heraus. Ich zuckte zur Antwort nur kurz mit den Schultern, dann entschwand mein Blick auch schon wieder hinaus auf das ruhelose Meer. Sie ließ aber nicht locker und so mußte ich mich wohl oder übel mit ihr auseinandersetzen. Nicht das ich das nicht wollte, aber ich war mit meinen Gedanken einfach ganz woanders.

Das junge Mädchen oder gar die junge Frau die sie ja war, als ich sie näher betrachtete war von ihrer äußeren Statur her gesehen ganz anders als ihre Brüder und Schwestern. Nein, sie war nicht so wie sie, weder im Äußeren noch im Inneren. Ihr Körper hatte die rundliche Form der anderen verlassen, wenn auch nur mit knapper Not, aber das reichte aus um sie von den anderen abzuheben. Zwar wurden die weiblichen Stellen noch recht gut hervorgehoben, aber auf attraktve und feminine Weise.

Jetzt saß sie neben mir im Sand am Strand angestrahlt von dem Schimmern der saphirblauen Kristalle, die gerade im Verblassen waren, um sich von den Kristallen der Liebe ablösen zu lassen. Hier auf den Inseln merkte man recht deutlich, wann die Zeiten der Kristalle anfingen und wann sie endeten. Abrupt wechselte die Farbe des Lichtes von blau zu transparent und die Schatten wechselten ihre Farbe.

Sie blickte mich immer noch fragend an, als ich sie unsicher anlächelte, da ich nicht so recht wußte was ich sagen oder tun sollte. Ihr Gesicht schickte mir ein Lächeln zurück, daß mich aus meinen träumerischen Gedanken riß und das Herz schmolz spürbar in meiner Brust. Ihre Augen, auch wenn sie nicht verständlich sprechen konnte, dann taten es sie für sie zu mir. Ich war gezwungen meinen Blick abzuwenden, um meine Gedanken zu sammeln, aber da war es bereits zu spät. Von diesem Zeitpunkt an wußte ich, daß mich diese Augen zu allem bewegen konnten, ganz gleich ob ich es wollte oder nicht. Das hatte ich nun davon. Sie legte den Kopf wieder schief, was zur Folge hatte, das das Blut wild pochend meinen Kopf durchströmte und ich errötete, wie die Sonne am Morgen. Die Kristalle der Liebe hatten eine unglaubliche Kraft. Vielleicht hätte ich zu dieser Zeit besser nicht hier sein sollen, aber das Schicksal, unser beider Schicksal, hatte es so gewollt. Nun jedenfalls war es zu spät für uns und wohl auch zu spät für die die sich jetzt noch bei den Pilzen befanden, was sich am nächsten Tag bestätigen sollte. Ohne ein weiteres Wort erhob sie sich und streckte mir ihre Hand entgegen, die ich nach kurzem Zögern ergriff. An ihrer Hand geführt liefen wir den schmalen Trampelpfand hoch zum Plateau und dann hinüber über die schwankende Brücke zu ihrer Insel. Diese lag ruhig, da sich ja alle Bewohner der sechsten Inseln auf der zentralen befanden, und führte mich in eine stille Bucht, wo er Strand seicht im Ozean verlief. Landzungen ragten zu beiden Seiten ins Meer hinein und erzeugten so die malerische Bucht. Wir ließen uns im Sand nieder und die Wellen streichelten unsere Füße im feuchten Sand. Wieder blickte sie mir tief in die Augen und da war es endgültig um mich geschehen. Durch die Verbindung unseres Blickes fanden auch bald unsere Lippen zueinander. Ihr Kuss schmeckte so süß, daß ich diesen ersten niemals vergessen habe. Wir schwammen im Ozean recht weit hinaus, so weit, daß ich schon glaubte wir würden das Ufer nie mehr erreichen können, aber nach unendlich schönen Momenten, da kletterten wir doch wieder auf den Strand. Die Nacht war lange, vielleicht zu lange. Wir hatten uns die ganze Nacht hindurch am Strand und im Meer geliebt und als die ersten Strahlen durch die Rubinhöhle glitten und die Frösche zu singen begannen, da lagen wir immer noch in der Bucht auf der neuen Insel.


Als ich das erste Mal die Augen öffnete, da saß sie bereits bei mir und lächelte mir entgegen, schöner als die Sonne oder irgendwas, das ich bis dahin zu Gesicht bekommen hatte. Noch ein mal gingen wir baden bevor das Frühstück auf uns wartete und wir Hand in Hand wieder über die schwankende Brücke rüber zu den Anderen liefen. Bei den Pilzen angekommen, da erzählten sie immer noch, niemals müde werdend, ihre Geschichten und an ihrem Fuße da lagen die Hageren, wie die Runden Inselbewohner zusammen vereint, gleich einer Familie, die sich nach endloser Zeit wiedergefunden hatte. Meine neue Gefährtin, die mir ihren Namen noch nicht genannt hatte, lächelte mir verstehend zu.

Die Macht der Kristalle der Liebe hatte also nicht nur ihre Kraft auf uns wirken lassen. Unzählige Paare lagen dort vor unsern Füßen vereint im harmonischen Schlaf zusammengekuschelt beieinander.

Die folgenden Tage waren wohl die schönsten in meinem Leben und wohl auch, derer die auch neue Partner gefunden hatten. Wie sich herausstellen sollte war dieser besagte Abend der unglaubliche Beginn einer neuen kulturelen Rasse. Das Blut der zwei verwandten Völker war vermischt worden und aus ihnen sollte ein neues wunderbares Erbe hervorgehen.

Der Alltag kehrte dann aber doch recht schnell wieder ein. Die Inseln hatten sich zusammengefunden und vereinigt. Die Rituale des Lichtes und die Bücher aus der Höhle der Vergangenheit wurden auch wieder miteinander geteilt.
Eines Tage, als mich mein Forschungsdrang wieder leitete, da ging ich, bewaffnet mit vier der schönsten Kristalle in die Höhle der Vergangenheit hinunter und stöberte in den Büchern mit den Zeichnungen und den Vorsehungen. Manchmal glaube ich, das ich dies besser nicht getan hätte. Vielleicht wären einige Dinge anders verlaufen, aber dann glaube ich doch wieder nicht, daß ich Einfluß auf die Geschehnisse der Zukunft hatte.

Beinahe alle Bücher hatte ich mir bereits angesehen, als ich dann durch Zufall eines fand, das meinen wachsamen Augen bis jetzt entgangen war. Als ich es aufschlug, da nahm es mir die Sprache und trieb mir im gleich Moment die Tränen in die Augen. Auf diesen Zeichnungen konnte man deutlich sehen das sich die sechste Insel nach der Vereinigung erneut von den anderen fünf, also unseren löste und ein weiteres Mal fortgetrieben wurde. Dies bedeutete, wenn es wirklich eintreten sollte, das mich meine Liebe und die der anderen ein weiteres Mal verlassen sollte, aber das dürfte und würde nicht geschehen. Dagegen musste es etwas zu unternehmen geben und was immer es war, das würde ich auch tun. Zu meinem Glück fand ich die Kraft, wo immer ich sie hernahm, um die Seite ein weiteres mal zu wechseln und da wurde mein Herz wieder um Einiges leichter. Das Schicksal war wieder auf unserer Seite.

Aus den Zeichnungen las ich, dass ein weiteres Seebeben die sechste Insel wegreißen würde und das man leider nichts dagegen unternehmen konnte.

Im fahlen Licht des dünner werdenden Lichtringes, wie ich auf der nächsten Seite sehen konnte, dass sich die sechste Insel wieder entfernte, daß aber auch auf der fünften sich Gestalten befanden die am Rande einer entschwindenden Silouhette nachwinkten. Man mußte sie also nur auf der Insel halten, zu dem Zeitpunkt an dem das Seebeben sie zu sich nahm. Hätte es sich doch nur um ein Unwetter gehandelt, dann wäre alles um so leichter. Wir wußten ja nun, was es zu tun galt.

Der Lichtring war dünner und dünner geworden und als er nahe daran war abzubrechen, da erwachte ich aus meiner lähmenden Lethargie, steckte das unliebsamme Buch in seine hinterlassene Lücke zurück und stieg mühsam die Treppenstufen zur Oberfläche hoch.

Nachdem ich die und ihre Geschichten hinter mir gelassen hatte, da wußte ich, daß das Seebeben bald kommen würde, jedenfalls schneller als mir lieb war. Es war wieder einmal dunkel geworden und die Hageren und die Runden fand ich wie jeden Abend bei den Pilzen. Als ich sie so beobachtete, wie sie frei von jeglichen Ängsten den Geschichten der Pilze lauschten, da ergriff mich ein melancholisches Gefühl. Bald würde sie ein neuer Schicksalsschlag treffen und sie wußten nichts davon und ich wollte ihnen nicht wirklich davon erzählen. Ich seufzte hörbar auf und dieses Geräusch des Bedauerns das führte wohl auch meine geliebte Frau zu mir. Mit einem Male spürte ich die liebevollen Arme ihrer, die mich von hinten her umschlossen. Für Momente ließ ich die Zärtlichkeit auf mich einwirken, bis sie tief genug in meinem Bewußtsein verwurzelt war, dass ich mir dessen sicher war sie nie mehr zu vergessen. Dann löste ich mich aus der Umarmung und blickte wieder tief in ihre Augen. Sie sah mich an und ihr Blick fragte mich nach dem Grund meiner Bedrücktheit. Ich konnte es ihr nicht sagen, jedenfalls nicht in diesem Moment. Morgen, Morgen wollte ich es ihr sagen, aber nicht jetzt.

Zusammen setzten wir uns zu den anderen und lauschten den Geschichten. Da nahm ich mir vor sie für die gesamte Welt aufzuschreiben, damit sie für alle Welt zugänglich war.

Ich hatte es den Inselbewohnern beigebracht, so forsichtig wie möglich. Einige hatten zwar gezweifelt, aber der Rat der Ältesten, denen ich das Buch mit den Zeichnungen zeigte hatten auch ihre letzten Zweifel ausgeräumt. Jetzt waren informiert und alles für eine schnelle Evakuierung vorbereitet. So hatte ich die nötige Zeit, um meinen weiteren Forschungen nachzugehen. An den folgenden Tagen fand man mich stets bei den Pilzen, ihren Geschichten lauschend und diese niederschreibend. Meine Freundin war recht überrascht, wohl auch ein bißchen enttäuscht von mir, ob der Vernachlässigung ihr gegenüber. Zu Anfang war dies recht schwierig, aber dann hatte sie mein Tun doch akzeptiert und weilte an meiner Seite und machte sich sogar nützlich indem sie die Blätter, die sie nicht lesen konnte, sortierte und verwaltete. In dieser letzten glücklichen Woche hatte ich ihr und auch den anderen die ersten Grundkenntnisse der Sprache beigebracht und sie konnten schon Einiges artikulieren, aber der Zusammenhang war manchmal recht belustigend. Sie lernten sehr schnell und bald verfügten sie über einen noch recht beschränkten Wortschatz, konnten diesen aber gut gebrauchen und bildeten die Basis für unseren gedanklichen Austausch. Irgendwann in dieser Zeit habe ich dann auch das Bild gemalt, das die Inseln zeigt und das jetzt hier im Kaminzimmer hängt. Ich erinnere mich noch recht gut daran. Meine Liebe hatte immer bestaunt, wie ich die Geschichten und die Tagebucheinträge illustriert hatte, wie ich die Schönheiten der Inseln und ihre ungewöhnliche topografischen Struktur eingefangen hatte. Sie erkannte die Bilder in meinen Zeichnungen wieder und deutete auf die jeweils dargestellten Stellen und lachte dann, was mich freute, da es mein zeichnerisches Talent bestätigte und sie glücklich machte. Nun. Mit der Zeit hatten wir unzählige Geschichten festgehalten und es waren viele Tage vergangen. Jeden Moment rechnete ich mit dem Seebeben, das sich die sechste Insel zurückholen würde. Alle Vorsichtsmaßnahmen waren ergriffen worden, schon seit langem und Stimmen wurden laut, das das Seebeben doch nicht kommen würde. Als die Stimmung derartig angespannt war, das sich einige dafür stark machten wieder auf ihre Insel zurückzukehren, da vibrierte die Insel zum ersten Male unmerklich. Sie spürten es nicht, aber ich wußte, was die Stunde geschlagen hatte. Dann war alles recht schnell gegangen. In immer kürzer werdenden Intervallen erzitterte der Grund unter unseren Füßen und auch die Heftigkeit schwoll mit jedem Male mehr an. Bei jeder neuerlichen anbrandenden unterdrückten verhaltenen Erruption vibrierten die schwankenden Verbindungsbrücken in zunehmender Frequenz, die beängstigende Ausmaße annahm.

Die Erschütterungen suchten die Insel nun stündlich auf als ich mich wieder einmal irgendwo auf der Insel befand und krampfhaft versuchte eine Zeichnung zustande zu bringen. Aber irgendwie hatte ich an diesem Tag eine derartige innere Unruhe in mir, daß ich mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren konnte. Wieder einmal hatte ich frustriert den Versuch abgebrochen und das Blatt zerknüllt in die Landschaft verbannt als ich das Beben spürte. Es war nun sehr stark und ich wußte, was es zu bedeuten hatte. Das Meer forderte die Insel zurück, an den Platz, an dem sie auch die letzten unzählige Jahre gelegen hatte. Stift und Block fielen zu Boden, die Farbe verschmierte das Papier und ehe ich mich versah, da liefen meine Füße mit mir zu den anderen, die ich bei einer der Brücken fand. Angst überkam mich, da meine Geliebte nicht an meiner Seite weilte und ich nicht wußte wo sie sich befand.

Als ich den sichtraubenden Hügel überwunden hatte, da erschien langsam und schleppend die sechste Insel in meinem Blickfeld. Die Hängebrücke schwankte in bedenklichem Ausmaße und wie ich mit Schrecken sehen konnte befanden sich noch drei Unbelehrbare auf ihr. Sie kämpften mit den Schwingungen, klammerten sich panikerfüllt an den seitlichen Begrenzungen fest und schienen nicht mehr in der Lage zu sein die rettende Seite zu erreichen.

Atemlos kam ich wenigstens einmal auf dieser Seite der Brücke an. Alle der kindlichen Inselbewohner standen hier zusammen und zitterten mit den Dreien mit. Dann ging alles sehr schnell von statten. Die Intervalle des Seebebens, die die Insel mit erbarmungsloser Gewalt ergriffen hatten, wurden merklich schneller. Waren es eben noch Stunden, so waren es nun Minuten, die sich gegenseitig abwechselten. Die anderen waren starr vor Entsetzen und keines klaren Gedankens fähig. So war es wieder mal an mir einzuschreiten, aber auch ich hatte keine Chance mehr. Selbst mein verzweifelt beherzter Sprung die reißende Brücke zu greifen endete im leeren Raum. Zum Glück hatten die drei ängstlichen Zurückgebliebenen immerhin noch so viel Verstand besessen ihr Heil in der Flucht zu suchen und befanden sich nun wieder auf der Insel, als ein letzter gewaltiger Ruck der Seeplatten die Brücke endgültig aus ihrer Verankerung riß. Es war ein schlimmer Moment für uns alle, als wir hilflos mitansehen mußten, wie unsere Bindung ins Wasser fiel. Es war zu spät.

Mit tiefer Traurigkeit in meinem Herz mußte ich die Bestätigung meiner Befürchtungen mitansehen. Ich hatte sie doch zu warnen versucht, aber die drei hatten es doch nicht geschafft. In Trauer sah ich nun das Bild der winkenden Inselbewohnern aus der Höhle, das ich schon in den prophezeienden Zeichnungen gesehen hatte. So standen wir dort an den Klippen und winkten ihnen stumm aufmunternd zu. Trotz allem machte ich mir keine Sorgen um meine Frau, auch wenn ich nicht hatte erkennen können, um wen es sich bei den drei Glücklosen gehandelt hatte. Anscheinend spürte ich aber irgendwie, tief in meinem Inneren, daß meine Frau ganz nahe bei mir auf der Insel war. Und schon bald bahnte sich jemand einen Weg durch die trauernde Menge und da war sie auch schon da und ich spendete ihr Hoffnung, so gut es mir in diesem Moment möglich war. Noch lange blickten wir der Silhouette der sechsten Insel hinterher, die langsam aber sicher immer kleiner und kleiner wurde, bis sie nach Wochen ganz unseren Augen entschwunden war.

Die Tage waren zu Anfang recht unangenehm gewesen, aber da das kindliche Gemüt der Inselbewohner die Fähigkeit besaß schnell zu vergessen, ganz im Gegenteil zu meinem, war auch dies recht schell vorüber gegangen. Jedenfalls ging auch hier das Leben langsam wieder seinem gewohnten Gang nach.

Bald darauf sollte ich die Insel verlassen, nicht für immer, aber doch für längere Zeit die mir die Wiederkehr mit jedem Male schwerer machte. Eines Tage schlug ich die Augen auf und fand mich in meinem Bett wieder. Es war schon mein Bett, aber nicht das auf den Kristallinseln sondern mein Bett in meinem Schlafzimmer in meinem Haus und in meiner langweiligen Realität. Müde schloß ich die Augen erneut, um die Erinnerungen an die Inseln in meinem Bewußtsein zu bewahren, als ich gegen etwas warmes weiches und sehr vertrautes stieß. Ohne es gleich zu realisieren schlug ich die Arme um dieses warme liebevolle Bündel und da bemerkte ich erst, das sie mit mir gekommen war. Wie immer wir es angestellt hatten, das spielte keine Rolle. Hauptsache sie war hier bei mir, wir zusammen und das in meiner Welt. Auf unergründliche Weise war meine Geliebte mit in meine Welt gereist und das nicht allein. Alle meine Aufzeichnungen, Geschichten und Illustrationen fand ich am Fuße unseres Bettes wieder.

Die Glut des Kaminfeuers lag in den letzten Zügen. Im Fieber neu entfachter Vergangenheit hatte der Alte gar nicht mehr an seinen Enkel gedacht, den er nun friedlich schlafend fand. Ein verstehendes Lächeln huschte über seine sanften Züge und er legte noch einen Scheit Holz nach, um sich wieder in seine träumerische Welt der Kristallinseln zu versetzen. Als das Feuer neuen Nährstoff hatte, da nahm er seinen Enkel liebevoll auf den Arm und brachte ihn zu Bett. Er schlug kurz die Augen auf.
"Erzählst du mir Morgen das Ende?", fragte er mit letzter wachbewußter Kraft.
"Natürlich, aber schlaf jetzt erst mal ruhig."
Damit entschwand er in die Welt der wunderschönen Träume und sah Bilder der Kristallinseln während ihn der Schlaf zum neuen Tag brachte.

Der alte Man hingegen setzte sich noch einen Moment ans Feuer und genoß einen der wenigen Momente, als seine Erinnerung derart rege war, um ihn sein vergessenes Leben neu durchleben zu lassen.

Am Morgen war der Kamin ausgekühlt. Durch seine Erzählungen und die damit aufbrandende Erinnerung aufgewühlt hatte der alte Man noch recht lange am Feuer gesessen. Hin und wieder rann eine Träne in Erinnerung der schönen Zeit an seinem faltigen Gesicht herab.

Als das Feuer nahezu gestorben war, da beließ er es dabei und erhob sich langsam in Gedanken an die Kristallinseln und seine damit eng verknüpfte Vergangenheit aus seinem gemütlichen Sessel. Betrachtend stand er vor dem ungewöhnlichen Bild der zentralen Insel und da erfaßten ihn wieder Bilder der Inseln mit all ihren Geschichten.

Am Morgen dann war er mit einem Traumbild erwacht. Er hatte sich gesehen, wie er auf den Inseln bewegt hatte und seine Aufzeichnungen unter den Arm geklemmt, als er aus dieser pallelen Welt erwacht war. Da wollte er im Geiste wenigstens einmal seiner Vergangenheit neues Leben einhauchen. Er kleidete sich, so schnell es ihm möglich war an und machte sich auf den Weg den Speicher zu erobern. Hier hatte er alle Bücher und Geschichten sorgsam aufbewahrt. Niemand außer ihm hatte die Erlaubnis hier hoch zu kommen, auch wenn er seinen neugierigen Enkel schon einige Male dabei erwischt hatte, wie er versucht hatte sich das Obergeschoß zuerschließen, die unbekannten Objekte zu studieren.

Der Speicher erinnerte an ein Museum mit Gemälden surrealistischer Meister. Sie alle waren so ungewöhnlich für das Auge eines ungelernten Betrachters, der nichts über die Kristallinseln wußte. Der alte Man lief durch die Reihe seiner Werke und blieb bei einem einzelnen stehen und genoß dabei die Erinnerungen, die ihm dabei zu Kopfe stiegen, wie ein guter alter Wein. Irgendwann dann kam er bei einem Porträt an, das ihn besonders nahe zu gehen schien. Seine Augen füllten sich salzig und eine erste Träne überzog sein Gesicht.

Der Enkel war früh erwacht, mit dem Gefühl etwas verpaßt zu haben und so machte er sich gleich auf seinen Großvater aufzustöbern. Es war noch sehr früh und seine Eltern, wie ihre Bediensteten, schliefen noch. So gelangte er ohne weitere Probleme zum Zimmer seines Großvaters. Er fand ihn hier nicht und auch nicht im Kaminzimmer, wie in der Küche, wo er sich sonst aufzuhalten pflegte.

Als er aber ein weiteres Mal das Obergeschoß durchrannte, da fand er die Treppe zum verbotenen Speicher zum ersten Male offen stehend. Der Speicher, den er bisher nie hatte betreten dürfen. Schnell blickte er sich um und ehe er sich fragen konnte, ob es ihm erlaubt war oder nicht, da hatte er es bereits getan. Oben angekommen mußte er selbst erst einmal staunend innehalten. Hier hingen unzählige Bilder, die alle so ungewöhnlich waren, wie das aus dem Kaminzimmer. Der Enkel bestaunte jedes einzeln, als er auf einmal seinen Großvater sah, weinend vor einem Bild stehend. Es war das Bild einer jungen Frau und als er näher trat, da meinte er seine Großmutter in jungen Jahren erkennen zu können.

Der Kleine war unsicher geworden, als er die feuchten Emotionen seines Großvaters über sein Gesicht laufen sah und wußte nicht, ob er sich ihm in diesem Moment nähern durfte. Aber dann dachte er doch nicht weiter darüber nach und sprach ihn einfach an.
"Ist das Oma?"
"Wie?", meinte seines Vaters Vater überrascht, aber dann erkannte er doch was sein Enkel gefragt hatte.
"Ja, ja. Das ist Oma, oder viel mehr das war Oma, als sie noch ein Mädchen war. Komm mal her.", forderte er ihn auf.
Schüchtern kam er näher, sein Großvater nahm ihn auf den Arm und ihm entgegengesetz seinen bestrafenden Befürchtungen liebevoll auf den Arm und hob ihn auf die Höhe des Gemäldes das seine verblichene Oma zeigte.
"So sah sie aus, als wir uns kennengelernt haben."
"Sie sieht so aus, wie das Mädchen aus der Geschichte."
"Aber du hast sie doch gar nicht sehen können. Ich habe sie dir doch nie beschrieben und ich dachte du wärst längst eingeschlafen gewesen."
"Aber sie sieht so aus, wie ich sie mir vorgestellt habe."
"Und du hast recht mein kleiner. Deine Oma ist tatsächlich die Frau aus der Geschichte von den Kristallinseln."
"Aber wie ist sie denn mit dir von der Insel gekommen?"
"Tja, das wußte ich auch eine ganze Zeit lang nicht, aber wir haben es dann doch irgendwann herausbekommen und auch wie ich auf die Inseln gekommen bin und ich habe alles aufgeschrieben. Wenn du ein bißchen älter bist, dann verrate ich es dir auch."
"Versprochen?"
"Ja. Heiliges Ehrenwort. Und nun komm mal mit."
Der alte Man hatte sich mit Hilfe seines Enkels von dem Porträt und den damit verbundenen Errinnerungen fortgerissen und lief nun mit ihm an der Hand durch die Galerie, ein bestimmtes Ziel vor Augen.

Vor einem alten Schreipult blieb er stehen. Das sich ein dickes Buch darauf befand konnte der Kleine aus seiner begrenzten Perspektive gerade noch sehen, aber mehr auch nicht.
"Hier in dem Buch habe ich alles ganz genau aufgeschrieben, wie man auf die Kristallinseln kommt und auch die Geschichte, die sie umgeben."
"Aber ich kann gar nichts sehen. Heb mich hoch."
Der alte Man bückte sich knarzenden Knochens und hob den Sprößling hoch, damit er sehen konnte, wovon er sprach. Das Buch war aufgeschlagen und zeigte durch eine alte Federzeichnung die fünf Inseln. An der Seite standen geschwungene Bemerkungen und wieder eben solche an durch Pfeile einzeln zugewiesenen Regionen der Insel. Der kleine kannte diese aus den Erzählungen seines Großvaters, auch wenn er nicht so recht wußte was es sich mit diesen auf sich hatte.
"Was ist das?"
"Die Inseln und Hinweise wie du einmal zu ihnen kommen kannst. Du willst die Kristallinseln doch einmal bereisen oder nicht?"
"Natürlich. Aber wie kann ich das?"
"Durch deine Träume."


Ende 08.07.2000

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