Joop !
von Enno Ahrens (epiklord)

 

Baltus genoss die Zeit mit ihr. Nach außen hin und für Anna schien das Glück perfekt. Ihre Temperamente harmonierten, sie waren zärtlich miteinander, Meinungsverschiedenheiten wurden fair ausgetragen, sie witzelten an seinen freien Wochenenden von morgens bis abends. Baltus war scheinbar unbeschwert. Es gab auch keinen vernünftigen Grund sich über sie zu beschweren. Und dennoch umarmte er sie wie eine neurotische Mutter ihre Tochter. Er schlang seine Arme um sie und drückte sie doch gleichzeitig etwas zurück. Anna schien es nicht zu merken und kuschelte leidenschaftlich gerne mit ihm. So wies er sie nicht ab, selbst wenn er im Augenblick keine Lust dazu verspürte.

Wenn er dann aber wieder allein war, durchströmte ihn ein sagenhaftes Gefühl des Losgelöstseins. Als Einzelkind war er aufgewachsen, seine Eltern waren ständig geschäftlich eingebunden, Baltus sich selbst überlassen gewesen. In der Schule hatte er keine Freunde gehabt. Er hatte es gelernt, sich selbst zu genügen. Jetzt, wo er mit Anna zusammen war, fühlte er diesen Mangel aus seiner Vergangenheit bedrohlich in ihm aufsteigen, diese Vereinsamung. Erst jetzt wurde ihm hautnah klar, dass er sich wie ein Hund all die Jahre dazu hat abrichten lassen und nun war diese egoistische, gefestigte Einheit zu keinem tiefen Bezug zu anderen mehr fähig. Nie hatte er es mehr gespürt als mit ihr, und dabei konnte er sich keine idealere Frau für sich vorstellen. Doch es war kein Platz in seinem Leben, in der Tiefe seiner Persönlichkeit, den sie hätte füllen oder ergänzen können. Mehr und mehr wurde es zur bitteren Gewissheit.

War sie aber fort, malte er liebevoll ihr Portrait und seine Gedanken kreisten um sie. Dann klingelte es an der Tür. Er schreckte auf, denn er hatte nicht mehr daran gedacht, dass sie heute ihren Besuch angekündigt hatte. Er schlich zur Tür und linste durch den Spion. Sie hatte sich hübsch für ihn geschminkt, in ihren Augen lag ein erwartungsvolles, liebliches Lächeln. Gleich würde er öffnen und sie ihm selig in die Arme fallen.

Aber er öffnete nicht. Sein Auto stand vorm Haus, er musste da sein. Sie schellte erneut. Und auf einmal stieg Angst in das Bewusstsein der jungen Frau, die verschlossene Tür offenbarte sein verschlossenes Herz. Irgendwie geisterte diese Empfindung schon von Anfang an wie ein Phantom zwischen ihnen, nur hatte sie es sich nie eingestehen wollen, und sie ging verhaltenen Schrittes fort. Er wollte sie zu sich hereinholen, ihr sagen, dass er nicht mehr mit ihr zusammensein wolle, dass er nicht anders könne. Aber sie wird es nicht begreifen, schoss es ihm durchs Hirn und er schaute ihr durchs Fenster nach, wie sie mit gesenktem Kopf langsam davon schritt, und dann stockte sie, als wollte sie doch noch umkehren. Sie blickte sich noch einmal kurz nach seinem Haus um. Er trat einen Schritt von der Gardine zurück.

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