Dünnwald
von Rutz Rische
15 Uhr 30
PONG-BONG-BOMM-BOMM-BONG
Ulrike schreckt auf. Vom langen Dösen in der heißen Julisonne
ist ihr Blick verschleiert. Die Pupillen ziehen sich in der gleissenden
Helligkeit zusammen.
Nach kurzer Eingewöhnungsphase fällt ihr Blick schliesslich auf zwei
blanke, baumelnde Früchte an einem kernigen Körper.
- So! Jetzt kann der Sonnenschirm aufgespannt werden. Tief genug inne
Erde is er ja.
-Schwimmreifen an! Die Pascale zieht auch sowas an.
Ulrike betrachtet missmutig die von der Sonne ausgeblichenen tropischen Farngewächse, gedruckt auf braunen Stoff.
Orangefarbene Blütenblätter lockern das Design farblich auf.
- Ah, nee, jetzt hab ich schon wieder mein Bier vergessen!
Gegen ihren Willen verspürt Ulrike Bedauern. Mitleidig sieht sie der Mittdreissigerin zu, deren Haar zu einem seitlich-wippenden Pferdeschwanz zusammengerafft ist, wie sie ein Iglu-Zelt in den Farben Rot, Gelb und Blau aufstellt. Dorthinein legt sie einen krebroten Säugling, der unablässig schreit.
- Zieh ihn doch nackig aus!
- Blas mal!
Ulrike blickt erstaunt auf, um eine Dunkelhaarige zu erspähen, die aus Leibeskräften in das Ventil eines Schlauchbootes pustet. Danach sind diverse Schwimmtiere an der Reihe.
Die Begleiterin mit den blanken Melonen zaubert ein Radio aus der Plus-Tüte hervor.
Während sie einen geeigneten Sender sucht, trifft Ulrike ein Lederfussball ins Kreuz.
- Wo haste dein Telefon? Wenn du das wieder verbummelt hast, dann kannste was erleben.
- Mami, greint die nackte Baby-Puppe.
- Sing-mir-ein-Lied-vor!
Und auf Befehl plärrt Eros Ramazzotti aus dem Kofferradio.
Ulrike schnippt angewidert einen Grashüpfer von ihrem Oberschenkel.
Die dralle Igelfrisur mit dem hellblauen Bikini zupft sich das Schamhaar zurecht.
Patrick will aber erst schwimmen gehen, wenn er so richtig pissen muss, erklärt er freudestrahlend.
Derweil gibt es bei der Kleinfamilie Pommes vom Imbiss.
- Komm, Schatz, schnell abtrocknen. Den Leon auch. Wo is der Leon?
- Hose aus. Hui! Warste schwimmen?
- Das hat dem Leon gut gefallen, das Schwimmen.
-Komm mal bitte hierhin, Pascale!
sagt eine Frau in schwarzem Bikini und hält einladend eine Pampers in die Luft.
- Sie stören, faucht eine Mittvierzigerin.
-Wat? Ham Se keine Kinder?
- Deshalb müssen die noch lange nicht mittem nackten Arsch auf unsere Möbel sitzen!
- Claudia, reg dich nicht auf über sowas!
- Wie, stört Sie das etwa, dass wir hier oben ohne liegen?
- Wär schon besser für die Umwelt, wenn du die Quarktaschen verdecken würdest.
-Will einer ne Frikadelle?
- Nicole, guck dir die doch mal an. Die hat doch nur A-Körbchen, deshalb regt die sich so auf.
-Nee, Monika, lieber was Masse, alsn Knochen.
-Komm, is jot jetzt!
-Unsere Kinder werden alle nix!
-Monika, wie kannste vor die Kinder rauchen?
- Die Frikadelle hat der Leon gegessen.
- Hör mal, Schatz, wenn du die Pampers jetzt nicht anziehst....
- Ej, Nicole, nächstes Mal machen wir das wie letztes Mal, als wir den ganzen Platz gemietet haben.
- Cremt ihr euch ein? Ihr seid ja schwul! Und das vor den Leuten!
-Mein Ex hat die Telefonnummer geändert. Ich komm ja gar nicht mehr ran an das Kind. Also, ich habe das Kind damals weggegeben, weil ich mit meinem Leben nicht mehr zuechtkam. Ich dachte mir, bevor das Kind darunter leidet, geb ich es lieber weg. Aber ich hab mir immer n Hintertürchen offengehalten.
Die Frau mit der Igelfrisur beendet ihren Monolog und holt sich eine Currywurst.
- Boah! schnaubt die Blonde mit dem infantilen Pferdeschwanz.
- Die geht mir echt auf den Sack. Die soll sich mal nen Psychiater suchen.
Dann bricht sie ab, denn die Currywurst kehrt zurück und erzählt fröhlich von ihrem neuen Lover.
- Weisste doch, beim Strassenfest.
- Ich sach ma so: Es gibt 23jährige, die haben mehr Grips als mancher 30jährige.
- Da sacht er: Ich hab mich in dich verliebt. Wobei, ich wart ja erstmal, ob das überhaupt hält.
-Nicole, dein notgeiler Bock hat mich angerufen. Der Markus!
-Wo soll der denn deine Nummer herhaben?
-Hallo? ruft der Mann am Maschendrahtzaun.
- Guck mal, der Friedbert!
-Geh mal hin! Huhu!
-Wo ist die Mama? will Friedbert wissen.
-Im Wasser. Mit dem Patrick.
-Tanja, geh in Schatten!
-Boah, ich hab noch drei Verzehrgutscheine. Morgen is Mallorca-Party. Die Helga kommt auch. Dein Freund kann doch auch mitkommen. Rufste an.
Ulrike packt ihre Sachen zusammen.
17 Uhr 30.
Das war doch wieder ein schöner Tag im Freibad von Köln-Dünnwald.