Das Saphirlabyrinth
von Jörg Geuer

 

„Das Saphirlabyrinth“

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von Jörg Geuer 14.02. bis 24.02.2005


Georg konnte im ersten Moment kaum etwas erkennen. So düster war es in dem unterirdischen Raum. Mit weit von sich gestreckten Händen ertastete er sich seinen Weg durch die Finsternis.

Die Wände waren rau und kalt. Hm, wenigstens sind sie trocken, dachte er sich noch, als er etwas Glattes und Kaltes ertastete. Es fühlte sich an wie Glas. Das war sehr ungewöhnlich, denn Glas war teuer und man nutzte es nur in besonderen Fällen und nicht in einem Keller, wo es keiner sehen konnte.

Er tastete weiter und fand dabei heraus, dass die gläserne Fläche größer war als er mit seinen 1,85m, und auch breiter. Er schätzte es auf etwa einen Meter. Seine Finger forschten weiter und wollten wissen, ob er um das Objekt herumkommen konnte, aber die glatte Fläche war in den rauen Stein ganz genau eingepasst. Hier gab es also keinen Weg für ihn, also tastete er weiter fort. Georg strich mit seinen Händen suchend umher, aber das Einzige was er fand waren die rauen kalten Steinwände, die man in den Fels hinein getrieben hatte. Schließlich gelangte er wieder zu den Glasflächen und tastete sie dieses Mal etwas genauer ab. Dabei stellte sich heraus das lange linienartige rauere Partien in das Glas hinein geätzt waren und weitere, welche Georg sich nicht erklären konnte, da sie scheinbar willkürlich verteilt schienen.

Trotz recht langem Abtasten der Fläche gelang es Georg nicht einen Ausweg aus seiner Situationen finden. Der Gedanke, ob es sich um eine Türe handeln könnte war ihm durch den Kopf geschossen, aber auch keine Klinke oder ein anderer Öffnungsmechanismus war zu finden und so stand er etwas verzweifelt in dem kalten unterirdischen Gefängnis. Georg war kein Mann, der sich so leicht aus der Ruhe bringen ließ und Schwierigkeiten waren dazu dar sie aus dem Weg zu räumen. Aber angesichts der begrenzten Möglichkeiten waren ihm hier regelrecht die Hände gebunden und alles, was er tun konnte das hatte er bereits getan und es blieb ihm nur noch die Möglichkeit sein wachen Verstand einzusetzen.

Als dies aber nach geraumer Zeit auch nichts weiter Hilfreiches brachte und die Hoffnung zu schwinden begann, da wurde es auf einmal heller im Raum. Er sah sich um, um hinter die Quelle des Leuchtens zu kommen und da bemerkte er auf einmal wie es um ihn herum blau wurde. Und da sah es. Jene glatte Fläche, die er solange abgetastet hatte war tatsächlich eine Türe, die in wundervollen saphirblau von innen her strahlte. Aber es war kein Glas, sondern es war eine Türe, eher eine Pforte, welche ganz und gar aus dem schönsten Saphir geschaffen war. Sie besaß zahlreiche Verzierungen und Einkerbungen. So etwas hatte er noch nie in seinem Leben gesehen.

Im ersten Moment hatte er seine Situation völlig vergessen und starrte die Türe beeindruckt an. Wie gesagt, bestand sie ganz und gar aus Saphir und er dachte kurz darüber nach, wie wertvoll Sie doch war. Was für eine Verschwendung, wo sich die meisten Bürger ihres kleinen Küstenstädtchens in dieser schlechten Wirtschaftslage gerade mal etwas zu essen leisten konnten.

Dieser Moment wehrte allerdings nur kurz, denn seine Lage war eiliger und Guido, sein bester Freund, brauchte seine Hilfe.

Durch das Leuchten konnte er nun sehen wo er sich befand. Eine kleine Kammer beschränkte ihn, ganz und gar aus dem Fels gehauen. Nirgends war eine Öffnung zu erkennen, also war der einzige Weg in die Freiheit durch diese Türe zu erlangen. Georg wollte sie zerbersten und schaute schon nach einem Stein, als sie von ganz alleine zur Seite wich. Er wunderte sich nicht lange darüber, sondern schlüpfte blitzschnell hindurch, ehe sie sich wieder schließen konnte.

Er war hindurch und die Tür schloss sich auch tatsächlich direkt wieder hinter ihm. Georg war abermals gefangen, in einem neuen Raum. Dieser stand allerdings in großem Kontrast zu der kleinen Kammer. Ein schummriges Licht erlaubte ihm zu sehen und er fand sich diese Mal in einem domartigen Saal oder eher einer Höhle mit gewaltigen hoch hinauf ragenden Stalagmitwänden. Es mussten so an die sechs bis 10 sein. Er zählte sie, und es waren tatsächlich acht Wände, die ihm einen weiteren Weg eröffneten. Nur welche sollte nehmen? Welcher Weg würde ihn seinem Ziel näher bringen und welche waren nur dafür geschaffen worden ihn in die Irre zu führen? Das konnte er wohl nur durch ihre Erforschung herausfinden, also machte er sich daran und wollte keine weitere wertvolle Zeit verlieren. Sein Freund brauchte ihn schließlich, denn er war an den Rollstuhl gefesselt und konnte sich nur bedingt wehren.

Also beschloss er systematisch vorzugehen und erkundete gleich den ersten Gang von links. Der aber schnell war er in einer Sackgasse geendet und so nahm er sich den zweiten vor. Dieser war etwas weiter in den Fels getrieben worden, aber auch seine zwei Ausläufer endeten an der rauen Wand im Berg. Beim dritten Gang ging es zu seinem Glück etwas besser und weiter voran. Hier fand er drei weitere Abgänge und gelangte in einen Abschnitt die ein weiteres Extrem bildete, denn hier, in diesem Teil der Höhle, waren die Stollen sehr niedrig und er musste teils sogar kriechen, um voranzukommen.

Guido saß in seinem Rollstuhl und hatte machtlos mit ansehen müssen wie sein alter Kindheitsfreund in der Kammer eingeschlossen wurde, wie eine Maus in einem Käfig. Er hatte auch von oben herab mit angesehen, wie er durch die saphirene Türe in das gewaltige Labyrinth gelangt war und erfreut beobachtet, wie er durch seinen scharfen Verstand und seine Logik den richtigen Weg eingeschlagen. Er saß oben in dem Anwesen mit dem wahnsinnigen Geschäftsmann, dem es anscheinend Spaß machte seinen Freund wie eine Ratte durch einen Parcours laufen zu lassen.

Er war der reichste Geschäftsmann ihrer Kleinstadt und hatte sich einen wahren Palast in die Stadt bauen lassen, wie das Monument eines Staatsmannes. Seltsame Geschichten kursierten über ihn und hatten sich mit dem Eintritt in sein Anwesen leider bewahrheitet.

Das Fundament des Anwesens bestand aus einem gewaltigen Labyrinth, dass er von chinesischen Sprengmeistern in den Fels hatte treiben lassen. Dafür war ein ganzer Berg abtragen worden und statt einer Fundahmentenplatte, wie es bei jedem gewöhnlichen Bau war wurde eine besondere gläserne Platte über das Labyrinth gelegt worden. Das wusste natürlich niemand, jedenfalls niemand der in der Stadt wohnte und noch am Leben war; mal abgesehen von Guido jetzt aber das sollte auch nicht mehr lange so bleiben, wenn Georg seinen Weg durch das Labyrinth nicht finden würde.

" Na, wie macht sich denn ihr Freund? ", meinte plötzlich eine Stimme.
" Ich würde sagen, er macht sich ganz gut. ", meinte Guido herausfordernd.
"Ach ja, dann muss sich die Situation wohl etwas verschärfen. ", meinte er und ein widerliches Grinsen breitete sich auf seinem dicklichem Gesichte aus.
Er ging hinüber zur Bar, goss sich einen Scotch ein und blickte verträumt in die goldbraune Flüssigkeit, und wie sie träge an den Rändern des Glases hinabrann.
" Wissen Sie, ", begann er, " ich finde es immer wieder interessant, wie sich die Menschen verhalten, wenn sie glauben, dass es um Leben und Tod geht. "
Guido konnte es nicht fassen, wie sich jemand am Leid andrer so ergötzen konnte.
" Warum tun sie das? Was hat Ihnen mein Vater denn getan? "
" Nun, er hat sich mir in den Weg gestellt. ", meinte er und nahm einen weiteren Schluck Scotch und blickte dann wieder durch die einseitig einsehbare Decke hinunter in das Labyrinth, wo Georg noch immer versuchte ein Weg herauszufinden.
" Warum denn so aufgebracht? Ihr Freund machte sich doch recht gut. ", meinte er und ging zu seinem großen Schreibtisch, der so aussah, als hätte man ihn einem Staatsoberhaupt entwendet, und öffnete eine seiner Schubladen. Eine Schaltamatur, wie man sie aus Lager- und Fertigungshallen kannte, kam zum Vorschein, mit unzähligen Knöpfen und einer blau schimmernden Karte, wo jeder einzelne Punkt mit ebenso blauen Lichtern und Zeichen markierte war. Der Geschäftsmann schien sie zu studieren und sich zu überlegen er wir Ihnen das Leben noch schwerer machen konnte.
" Was machen Sie denn da? ", schrie Guido mit fast panischer Stimme.
" Hm, mein Freund. Ist Ihnen eigentlich bewusst welch immense Summen es mich gekostet hat dieses Anwesen hier zu errichten? ", und hob dabei die Arme, um Guido zu animieren sich der prachtvollen Umgebungen gewahr zu werden.
Eine kurze Stille trat ein. Ja, der Raum war wirklich atemberaubend. Riesengroß, sodass es ein Schloss hätte sein können mit barocker Einrichtung und sündhaften teuren Einrichtungsgegenständen sowie Gemälden an den Wänden.

Das Anwesen war wirklich fantastisch, riesengroß und herrschaftlich eingerichtet. Der Architekt und die Konstrukteure hatten wirklich atemberaubendes geleistet. Allein die Schaffung des Labyrinths, die einem genialen aber auch umnachteten Geist entsprungen sein musste, war eine Meisterleistung. Und dann die gläserne Fundamentplatte, welche ganz und gar aus dem Saphir ähnlichen Steinen gefertigte war und die man nur von oben her durchschauenden konnte. Was das alles an Mengen von Geld und auch gedanklicher Arbeit und Schweiß gekostet haben musste. Trotz der unangenehmen Situation musste Guido darüber staunen.

Auch die Raumstruktur hier oben war horizontal gespielt der des Labyrinths angepasst, gleich als hätte man das Fundamenten Labyrinth noch einmal gefertigte und erneut auf die saphirenen Platte gestellt. Aber warum so etwas? Er wusste es nicht. Das ließ sich mit normalem menschlichem Verstand einfach nicht erklären.
" Wollen sie nicht mit rüber gehen in die Gänge, ", meinte der Geschäftsmann?
" Bitte? ", fragte Guido, der in Gedanken gewesen war.
" Ihr Freund hat einen neuen Abschnitt erreicht und sie wollen doch sicher sehen, wie er sich macht. Oder nicht? "
" Sicher, ", meinte er benommen.
Natürlich wollte er sehen, wie sich Georg im Labyrinth zurechtfand.
" Soll ich sie schieben, mein Freund? ", meinte er grinsend, auf Guido Gebrechen anspielend.
"Danke, aber das kann ich ganz gut allein. " und folgte dem Geschäftsmann, der ihm die Türe aufhielt.

Guido gelangte in einen weiteren Raum des Anwesens. Hier reichten die eng voneinander gestellten Wände bis zur sehr hohen Decke hinauf. Sie waren so hoch, dass Guido ihr Ende nur erahnen konnte, da es oben sehr düster war. Ganz im Gegenteil zu hier unten. Die Bodenplatte schimmerte in saphirenem blau und herausgeäzte Linien, die an den Wänden entlang führten leuchten dadurch um ein Vielfaches mehr. Wie gesagt, wäre die Situation nicht so unangenehm gewesen, hätte er es sogar bewundert, aber so konnte er es einfach nur als krank empfinden. Solch eine Schönheit so seiner Ästhetik zu berauben und Zweck entfremden.

Die Wände ragten, wie gesagt, steil empor und jeden Meter teilte sie eine rechteckige Säule auf. Und an jeder dieser Säulen befand sich ein langes blaues Licht, das den Raum in Manneshöhe in bläuliches Licht tauchte.

"Hm, Ihr Freund scheint auf ein neues Hindernis gestoßen zu sein. "
Guido rollte ein Stück nach vorne und konnte dann ganz klein und tief unter ihnen seinen Freund erkennen. Da die Struktur oben wie unten die gleiche war konnte er seinen Freund nur vage erkennen, da die Distanz zwischen ihnen doch recht hoch war. Gerade stand er vor einer Wand und kam nicht weiter. Guido blickte noch auf Georg als er in seinem Augenwinkel einer Bewegung wahrnahm. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Und das bestätigte sich auch im gleichen Moment. Der Geschäftsmann war zu einer der Wände gegangen und hatte sie geöffnet. Eine weitere bläulich schimmernde Armatur kam zum Vorschein, mit den gleichen leuchtenden Markierungen und Beschriftungen.
"Kann Ihr Freund eigentlich schwimmen? ", meinte er.
" Ja, warum? ", antwortete Guido automatisch und hatte schon ein unangenehmes Gefühl im Bauch.
" Nun, Sie wissen ja, das Meer kann manchmal recht gefährlich sein. ", und drückte dabei einen Knopf.
Augenblicklich begann ein kleines Beben das Haus zu erfahren und es zitterte und brodelte überall. Guido konnte es nicht fassen. Er hatte doch nicht etwa das Labyrinth geflutet. Aber genau das hatte er getan und ein Blick nach unten verlieh ihm grausame Gewissheit. Guido musste von oben herab mit Ohnmacht mit ansehen, wie sich seinem Freund eine Welle des salzigen Elementes näherte. Er wollte ihm schon zurufen wegzulaufen; aber wohin? Zuerst nahm die Panik ihm den Atem, aber dann, als er sah, dass Georg sich umsah und etwas bemerkte zitterte er mit ihm, auf der Suche einer Lösung.

Zum Glück kehrte sein wacher Verstand zurück. Körperlich war er Beschränkungen unterworfen, aber sein Verstand war überaus wach. Er sah sich um, nach etwas, nach einem göttlichen Fingerzeig; und da sah er es. Etwa drei Meter über ihm fand er eine Öffnung in der Wand. Da er mittlerweile wusste, dass die Architektur hier oben der der unten glich musste sich auch unten im Labyrinth eine Öffnung an genau der gleichen Stelle befinden. Das war eine Möglichkeit, die seinen Freund das Leben retten konnte.

Sie waren zusammen aufgewachsen und hatten quasi ihr ganzes Leben miteinander verbracht, wodurch sie eine innere Verbundenheit zueinander teilten. Sie spürten, wenn es dem andern gut ging oder auch nicht und so war es das Einzige, was Guido tun konnte. Auf diese Karte setzen und ihm suggerieren, mit aller Kraft, dass er sich nach genau dieser Öffnung umsehen sollte. Sein Blick war starr geworden und doch sah er Georg, wie ihn das Wasser ergriff und wie er in ihm hin und her geworfen wurde, und auch wie er durch die Gänge des Labyrinths gespült wurde. Er fing an zubeten und manövrierte seinen Freund durch die Gänge. Ein bisschen mehr nach links, dann geradeaus, auf die rechte Seite und da bleiben, ja genau da. Gut, jetzt noch ein bisschen Geduld und dann ist gleich die Öffnung da.

Georg hatte sich durch das Labyrinth gearbeitet. Zu Anfang lief es nicht so gut. Immer wieder war er in andere Räume gelangt. Die einen waren recht hoch gewesen, wie jene am Anfang, und andere wiederum waren so niedrig, dass er durch die schmaleren Passagen kriechen musste. Manchmal fluchte er laut, wenn es nicht weiter zu gehen schien und fragte sich wodurch sich dieser ganze Irrsinn rechtfertigte. Sie hatten niemandem ein Leid getan und so konnte er sich nicht erklären, wie die beide in eine solche Situation hineingeraten waren.

Eines Tages hatten die Bauarbeiten am Hang begonnen. Der gesamte Berg wurde abgeriegelt. Dann kamen unzählige chinesische Arbeiter und machten den Berg dem Erdboden gleich. Jeden Tag waren unzählige Sprengung zu hören und eine Karawane von Lastwagen hatte den Schutt abtransportiert. In ihrem kleinen Städtchen machten sich Gerüchte breit, dass die chinesischen Arbeiter Gänge in den Berg trieben.

Und dann hörte plötzlich alles auf und es wurde auf einmal wieder so still, wie es die Bewohner gewohnt war. Und dann, keine zwei Wochen später fing es erneut an. Dieselbe Karawanen von Lastwagen und Schiffe kam in den Hafen, entluden große quadratische Kisten und fuhren sie zum ehemaligen Berg. Große Kräne wurden montiert und luden den Inhalt der Kisten auf die nun ebenerdige Fläche, das Fundament wie sie nun wussten. Dann war mit dem Bau des Anwesens begonnen worden und von unten her, von der kleinen Hafenstadt konnte man nun von Tag zu Tag mehr das Gebäude wachsen sehen, erinnerte sich Georg als er sich durch die Finsternis tastete und er erinnerte sich auch daran, wie die Leute im Dorf tuschelten und sich überall eine unangenehme Unruhe ausbreitete. Und dann erinnerte er sich auch daran wie Guido´s Vater eines Tages von ihnen gegangen war. Georg und Guido waren, wie gesagt, miteinander aufgewachsen und kannten sich ihr Leben lang und so war es für Georg nur selbstverständlich, dass er ihm auch nach seinem schlimmen Unfall stets geholfen hatte und so auch an jenem Tag, als er von einem Boten den unheilvollen Brief erhalten hatte. Die dieser beinhaltete eine Einladungen zu jenem düsteren Anwesen. Sie wollten beide nicht dorthin, aber Guido wurde dazu gezwungen und Georg wollte ihn nicht im Stich lassen und begleitete ihn.

Weiterkam er nicht in seinem Denken, denn eine rauschendes Geräusch ließ ihn erzittern. Dieses Geräusch kannte er von seinem Leben am Meer. Irgendwo drang Wasser ein. Er war entsetzt, denn er befand sich wie eine Ratte im Käfig, und das auch noch im Dunkeln. Panisch sah er sich um, aber das brachte im Dunkeln natürlich nichts zu. Die Quelle des Rauschens schien aber von hinten zu kommen und so trat er schnell um die Ecke in einen weiteren Gang hinein und gleich darauf schoss auch schon eine Welle an ihm vorbei, den Gang entlang, den er gerade im Begriff war zu nehmen. Nur Augenblicke später drang das Meerwasser auch zu ihm vor, begann ihn zu umspülen und schloss ihn schließlich ganz ein; drückte ihn nach oben. Er konnte nichts machen, als zu hoffen, dass die Decke wirklich so hoch war, wie er dachte. Er war in der Dunkelheit gefangen, vom kalten Wasser umschlossen und konnte eigentlich nichts anderes tun als zu beten.

Aber dann spürte er, wie er von etwas gelenkt wurde. Ja, er spürte, dass ihm jemand half und ließ sich mit Gottvertrauen leiten. Er wurde weitergespült und dann nach links hin und etwas weiter nach oben. Und plötzlich fanden seine Finger eine Öffnung. Er griff in sie und zog sich gegen den Strom hinein. Mit dem Bauch voran fiel er in die Öffnung hinein zappelte und dann war er endlich durch. Georg fiel ein paar Meter in die Tiefe. Er schlug hart auf, aber er hatte sich nichts weiter getan und konnte sich nach kurzer Zeit der Erholung wieder aufrappeln. Sein Blick klärte sich und er nahm zwar, dass er weiter hinten ein saphirblaues Schimmern sah.

Guido stöhnte hörbar auf, als er gesehen hatte, dass es Georg tatsächlich geschafft hatte. Ob er es nun war, oder aber seine gedanklichen Kräften, das wusste er nicht mit Sicherheit; in diesem Moment war er einfach nur erleichtert, dass Georg seinem Schicksal entronnen war und sank erschöpft in seinem Rollstuhl zusammen.
" Aber, aber, sie werden jedoch jetzt nicht einschlafen wollen. Nicht nach so einer anregenden Unterhaltungen. "
Guido sah ihn mit vor Hass erfüllten Augen an.
"Aber ich muss auch zu geben, das ihr Freund das Salz in der Suppe ist. ", lächelte er väterlich.
"Apropos Suppe, mein Freund. Sie scheinen, wie ich hin, einen kleinen Imbiss gebrauchen zu können. Wie wäre es mit einem kleinen Mal?"
"Lieber verhungere ich, als dass ich mich mit Ihnen an einen Tisch setzen würde. "
" Wie auch immer, ich werde mir jetzt eine kleine Mitternachts Suppe genehmigen und dann können wir langsam aber sicher zum Ende kommen. ", meinte er und ging aus dem Salon.

Georg steckte der Schreck noch in den Gliedern. Durchnässt wie ein Hund nach einem Unwetter schüttelte er sich.
Als er sich wieder etwas erholt hatte und gerade wieder seinen Weg aufnehmen wollte stockte ihm der Atem. Er befand sich inmitten einer gewaltigen Minenanlage. Überall waren diese fast kreisrunden Stollen, welche von hölzernem Bohlen gesichert wurden. Aber dies war es nicht, was ihnen innehalten ließ, denn das erklärte nur die Ursache, nein, es waren die zu Hunderten oder Tausenden überall erstrahlenden Saphire, die aus der Decke, den Wänden und dem Boden wuchsen. Es war wirklich atemberaubend. Deswegen wohl auch all diese Sprengungen der chinesischen Sprengmeister. Da stellte sich ihm die Frage, ob man das saphirene Labyrinth geplant hatte, oder aber ob es durch den Abbau in der Miene entstanden war und nur später dafür zweckentfremdet worden war. Wie auch immer, das war jetzt nicht so wichtig. Wichtig war, dass er einen Ausweg fand und dann seinem Freund half. Schließlich war er gerade erst dem salzigen Tod entronnen und auch jetzt meinte er bereits wieder ein Tropfen zuhören. Das Meerwasser begann durch die Öffnung hinein zu rinnen. Es war wohl nicht abgelaufen und drohte nun auch diesen Abschnitt des Labyrinths zu überfluten. Eile war also angebracht.
Immerhin hatte sich seine Situation gebessert, denn in diesem Raum konnte er wenigstens etwas sehen. Also lief er gleich los.


Guido hatte wortlos mit angesehen wie sich der Geschäftsmann seelenruhig ein Süppchen gegönnt hatte, während Georg die Minen durchschlief. Ein stummer und anscheinend auch tauber Diener hatte dann jedenfalls sein Essen gebracht. Guido hatte versucht ihm ein Zeichen zu geben, aber erfolglos. Der Diener hatte stets den Kopf gesenkt gehalten und ihm so jegliche Möglichkeit der Konversation genommen.
" So, ", meinte der Geschäftsmann nach dem er sein Mal beendet hatte, " dann können wir ja jetzt weitermachen. ", und nahm sich eine dicke Zigarre aus seinem Humidor, welche er sich genüsslich paffend entzündete.
" Wenn Sie mir bitte folgen würden, mein Freund. "
Zusammen gingen beziehungsweise fuhren sie in das Atrium des Hauses. Dieses glich allerdings nicht den Minen unter ihnen und der Geschäftsmann erklärte Guido auch warum.
" Wissen Sie. Früher sah es hier oben genauso aus wie unten in den Minen."
"Aha."
" Sie können es sich wahrscheinlich nicht vorstellen, aber ja, hier oben wurden auch die wunderbarsten Saphire abgebauten, genau wie dort unten, wo ihr Freund gerade umherirrt. Ja, ich wusste schon sehr lange, dass hier im Berg dieses wunderbare Vorkommen der edelsten Saphire gab. Mein Großvater hat es mir einst erzählt. Die Leute im Dorf dachten, dass es sich dabei nur um eine Legende handeln würde, aber ich habe die Geschichten meines Großvaters recht ernst genommen und bin eines Tages auf die Höhle gestoßen, in der ich die Steine fand. Und genau diese Steine waren das Fundament für meinen heutigen Reichtum. Ich hatte damals noch nicht die Mittel sie professionell abzubauen oder das Geld mir den Berg zu kaufen. Also musste ich ins Ausland, um mir entsprechendes Kapital zu beschaffen. Und, na ja, den Rest kennen Sie ja."
Das war ja interessant, was dieser Lump da von sich gab. Das arme Dorf hatte unwissend auf einem großen Schatz gesessen und dies über Generationen hinweg nicht bemerkt, nur weil man dem Gebrabbel eines Kreises als nicht wichtig erachtet oder eher verkannt hatte. Wie auch immer. Später könnte man darüber nachdenken, den Geschäftsmann wegen Unzurechnungsfähigkeit zu entmündigen und dem kleinen Städtchen neues Leben einzuhauchen.

" Und wo befinden sich jetzt die Überreste der Minen?"
" Hm, sie wurden natürlich abtransportiert, wie auch der ganze andere Müll, der hier so rumlag. Ich wollte lieber ein geräumiges Atrium mit einem kleinen Pool und einer schönen Gartenanlage hier haben. Jetzt stellten sich doch Mal vor hier wären noch immer all die Stollen und das Holz. So ist es doch viel schöner. Oder nicht? "
Guido verzichtete auf eine Antwort.

Unten im Labyrinth, wo besagte Mine noch recht real war lief Georg durch die Gänge und seine Finger fuhren dabei immer wieder unbewusst über die schönen glatten Flächen der blauen Edelsteine. Sie war so groß und reichten ihm teilweise bis auf Hüftehöhe. Was der Berg an Reichtümern barg und das ohne dass auch nur einer von ihnen es geahnt hätte. Am liebsten hätte er sich einige der Steine eingepackt und mitgenommen. Hm, dann wären Guido´s und seine wirtschaftlichen Probleme aus der Welt geschafft und auch die übrigen Bewohner des Städtchens könnten wieder aufatmen. Mit diesen Gedanken lief er unter den gewaltigen Installationen hindurch nach einem Ausweg suchend. Oben, ganz weit oben bündelte sich das saphirene Strahlen zu einem gleißenden Leuchten. Dies musste sein Ziel sein. Aber wie sollte er es erreichen? Die Konstruktion sah nicht gerade vertrauenserweckend aus und hinaufklettern wollte er eigentlich auch nicht. Aber musste dort irgendwie hinauf. Er sah sich um und schließlich blieb sein Blick auf einem Haufen mit quadratischen Blöcken haften. Das war doch schon mal ein Anfang; Aber es waren nur ein paar Blöcke und sie würden ihm höchstens ermöglichen eine Höhe von zwar zirka fünf Metern zu überwinden. Georg sah sich weiter um. Da gab es einen Tunneleingang, bis zu seiner Kante die Blöcke reichten. Schnell machte er sich daran diesen Gedanken auszuführen, denn das erste Tröpfeln begann sich in ein Rauschen zu wandeln. Das Meer kam näher und wollte er hier nicht sein Ende finden musste er an Höhe gewinnen.

Guido hatte alles von oben herab mit angesehen, während der Geschäftsmann ihn mit seinen langweiligen Ausführungen unterhalten hatte. Aber immerhin hatte er dadurch erfahren, dass Georg sich tatsächlich bis zur Spitze Vorarbeiten musste, denn dort befand sich jene Armatur mit der man den Wassereinlass regulieren konnte. Georg hatte an die 40 Meter zu überbrücken und konnte dies nur schaffen wenn er durch die alten und morschen Bretter gestützten Stollen zu der Konsolen gelangte. Dann, und wenn er es erkennen würde hätte er die Möglichkeit die Schleuse zum Meer zu schließen und sich etwas Luft zu verschaffen.

Georg wusste, wie gesagt, dass sein Ziel die obere Plattform des wackelig aussehenden Gerüstes war.
Mittlerweile hatte er mit viel Schweiß und Flüchen die Blöcke so zurechtgeschoben, dass sie bis knapp unter die Kante zum Tunneleingang reichten. Der Wasser hatte schon den Boden überzogen, als er sich auf den ersten Block schwang, den nächsten überwand und sich schließlich in den Tunnel hineinzog.

Von hier hatte er einen anderen Blick und sah wie sich das Wasser langsam um die Saphire schloss, sie umspülte und schließlich gänzlich einfaßte. Er wollte sich lieber beeilen und seinen Vorsprung nicht unbedacht verspielen.

Auch dieser Tunnel war wieder dunkel, denn die chinesischen Minenarbeiter hatten ganze Arbeit geleistetes und einen jeden Stein aus seinem Bett entfernt, und das alles nur, um dem geldgierigen Geschäftsmann zu noch mehr Reichtum und kranken Gedanken zu verhelfen.

Oben gewann Guido etwas an Zuversicht, als er sah, wie Georg auch dieses Hindernis gemeistert hatte. Jedenfalls bis der Geschäftsmann sich wieder zu Wort meldete.
"Hm, ihr Freund ist recht hartnäckig.", meinte er und dieses Mal schien ein bisschen Sorge in seiner Stimme mitzuklingen.
"Hm, da muss ich mir wohl etwas einfallen lassen."
Guido wurde wieder mulmig im Magen. Das hörte sich nicht gut an.
"Aber da ich eine weitsichtiger Mensch bin habe ich diese Möglichkeit, auch wenn sie zugegebenermaßen recht abwegig ist, mit einkalkuliert und mir schon mal was ausgedacht, was unseren gemeinsamen Abend noch etwas unterhaltsamer macht."

Der gerade erreichte Tunnel erwies sich als hilfreich, denn er war so etwas wie eine Steigleitung, durch die man sich eine höher gelegene Ebene erschließen konnte. Alte und rostige Stiegen ertasteten seine Hände. Warum waren diese rostig, fragte er sich. Wahrscheinlich war es nicht das erste Mal das der Geschäftsmann jemanden durch das Labyrinth jagte. Wie Recht er mit seiner Vermutung hatte wusste Georg natürlich nicht.

Der Steigstollen war recht schmal, gerade mal an die 70 Zentimeter breit und so konnte er auch die bereits vom Rost zerfressen Stufen überwinden, in dem er sich mit Händen und Füßen gegen die andere Wandseite stämmte und sie so wie ein Bergwanderer überwand. Schließlich kam keine neue Stufe mehr und seine Hände ertasteten die Kante des horizontalen Teil des Stollens. Er zog sich hoch und robbte auf dem Bauch durch den Dreck. Aber er hatte Glück. Nach einer Biegung drang erneute das saphirene Schimmern bis zu ihm vor und er wusste, dass er sich auf der Höhe des Zentrums des Leuchtens befand. Dies gab ihm Mut und Zuversicht.

Nach ein paar Schritten konnte er erkennen, wovon das Leuchten ausging. Es handelte sich um eine Kontrollarmatur, aber eine, wie er sie zuvor noch nie gesehen hatte. Sie bestand aus einer gläsernen blauen leuchtenden Platte und darauf befand sich in noch hellerem blau Markierung und scheinbar eingeätzte Informationen. Georg kam es vor wie Teufelswerk, denn wenn man einen solchen Punkt berührte, dann erschienen weitere Schriftzüge und Zahlen. So etwas hatte er noch nie im Leben zuvor gesehen oder gar davon gehört, dass so etwas überhaupt irgendwo auf der Welt existierte. Und so stand er auch recht unbeholfen vor der Armatur. Er spürte aber dass jene, Armatur ihm helfen konnte und deswegen tat er das einzige was er tun konnte; er erforschte sie. Georg berührte einen Knopf und las sich die erscheinenden Zeilen durch. Zu seinem Glück waren sie nicht in chinesischen Schriftzeichen, aber es war doch chinesisch und zwar Fachchinesisch; wo er sich erst einmal hinein denken musste. Georg zwang sich zur Ruhe. Die Zeit drängte zwar, aber durch übertriebene Hast war noch keinem geholfen worden. Er wollte sich erstmal einen Überblick verschaffen und ließ seinen Blick über die gewaltige Minenanlage schweifen, um eventuelle Zusammenhänge zu erkennen. Dabei wurde ihm allerdings auch bewusst, wie hoch das Wasser bereits gestiegen war. Mit Schrecken in den Augen sah er, dass das Meerwasser bereits ein Viertel der gesamten Höhle umspülte. Das Gerüst begann zu ächzen und es war nur eine Frage der Zeit, bis ihn das Wasser auch hier oben, erreichte, oder gar die massiven Träger aus ihren Verankerungen riss.

Schnell studierte er noch mal die Konsolen. Hm, da waren sechs Markierungen mit jeweils drei Unterpunkt. Welche sollte er betätigen? Er wusste es nicht, also vertraute er seinem Gefühl und betätigte einen Schalter, welcher mit einem Wellensymbol verknüpft war. Das konnte das Wasser eventuell ablaufen lassen.
Auf einmal begann die Höhle zu erbeben und ein neuerlicher Schwall ergoss sich in die gewaltige Kammer. Ups, der war es schon mal nicht gewesen. Machtlos wusste Georg mit ansehen wie sich die Steiggeschwindigkeit noch vergrößerte. Innerhalb der kürzesten Zeit war nun die Höhle bis zur Hälfte voll gelaufen und das Gerüst unter seinen Füßen wankte schon bedenklich. Was sollte er nur machen? Er betätigte den Schalter erneut in der Hoffnung seinen Tun rückgängig zu machen, aber nichts tat sich. Fieberhaft suchte er nach einem anderen Schalter, der ihn retten konnte. Er fand aber wieder nichts und betätigte dann einfach alle in der Hoffnung der Verzweiflung.

Guido hatte die unheilvolle Verkettung von oben her mit angesehen.
"Na?", meinte der Geschäftsmann triumphierend.
" Da habe ich Ihren Freund wohl doch etwas überschätzt. Ich musste gar nichts tun. Er hat sein Schicksal selbst besiegelt. "
" Wie meinen Sie das? ", fragte ihn Guido.
" Ja, mein Freund, durch die Betätigung dieses Schalters hat er nun auch noch die Zusatzventile geöffnet, die ich gerade öffnen wollte. "
Er zog wieder genüsslich an seine Zigarre und schickte zufrieden ein paar Rauchkringel zum Himmel.
" Tja, dadurch wird der Druck des Wassers noch stärker und er wird mir wohl meine Minenkonstruktion zerstören. "


Georg ahnte nichts von alledem. Er hatte einfach nur den Wunsch dem eindringenden Wasser zu entkommen und das möglichst bald, denn die Konstruktion unter seinen Füßen schwankte schon beängstigend. Panisch sah er sich nach einer Lösung um. Die Kontrollarmatur war erloschen. Das eindringende Wasser hatte wohl die Versorgungsleitung erwischt. Aber im letzten Flackern meinte er, dass sich nahezu direkt über ihm eine Öffnung aufgetan hatte und arbeitete sich im schummrigen Licht daraufhin zu.

Mit dem sehen war es dahin und er konnte wieder nur beten, dass er in der Dunkelheit nicht einen Fehlschritt tat und von der Konstruktion fiel, denn dann hätte ihnen das Wasser erreicht und er würde ihren Gewalten hilflos ausgeliefert sein.

Nur das Schimmern, der bereits in den Wassermassen gefangenen Saphirformationen schenkte ihm die Möglichkeit zur Orientierung. Er tastete sich weiter vor, fast blind und beinahe hoffnungslos. Das Wasser umspülte bereits seine Füße, dann seine Hüften und dann war's auch schon bei seiner Brust angekommen.
Die Öffnung musste doch irgendwo hier gewesen sein. Die Wassermassen erfassten ihn nun gänzlich und zogen ihn weg. Es gab nichts, was er ergreifen konnte und so versuchte er sich einfach nur über Wasser zu halten. Hauptsache mit Mund und Nase.

Der Geschäftsmann hatte Guido eben noch erzählt, darüber lustig gemacht, dass sich genau über Georg ein Versorgungsschacht befand, und das er schon mal spannt sei, ob er diesen noch erreichen würde.
" Hm, da hat es ihr Freund so weit gebracht. Es wäre doch wirklich schade, wenn er so kurz vor dem Ziel dann doch noch versagen würde."
Er machte eine Pause.
" Denn wisse sie. Diese Stelle ist, gepaart mit dem Wasser, geradezu wie ein Fahrstuhl zu uns nach hier oben. "
Georg sah ihn irritiert an.
"Ja, ja, er wird genau hier im Pool hinauf kommen und dann können wir uns endlich mal persönlich kennen lernen. "
Guido sah ihn angewidert an.
"Ja, ja, wäre das nicht interessant? Er könnte uns erzählen, was er dort unten so alles erlebt hat und ich könnte die Anlage dementsprechend modifizieren. "


Georg war tief besorgt. Ob es sein Freund wohl schaffen würde? Und was war mit ihm, wenn er es nicht schaffen würde? Der Geschäftsmann hatte alle Unwägbarkeiten in Betracht gezogen, im Leben, und er hatte ja selber gesagt, dass er alle Unwägbarkeiten oder unvorhergesehene Eventualitäten abgesichert hatte und so rechnete Guido auch jetzt damit, dass, wenn Georg es tatsächlich schaffen sollte den Belüftungsschacht zu erreichen, na ja, das sie dann ganz bestimmt nicht so einfach hier hinaus marschieren könnten. Und das bestätigte sich im gleichen Moment, in dem er daran dachte.

Der Geschäftsmann war wieder zu einer dieser saphirenen schimmernden Kontrollarmaturen gegangen, die wohl in jedem Raum des Anwesens zu waren, und drückte abermals einen Knopf.

"So, dann wollen wir Ihren Freund mal einen gebührenden Empfang bereiten. ", und gleich darauf öffnete sich auch schon eine Türe und 10 Bedienstete betraten das Atrium. Sie waren alle recht kräftiger Statur und formierten sich gleich um den Pool, als würden sie dies nicht das erste Mal tun.

Der Pool im Zentrum des Atriums war umstellt und der Geschäftsmann saß wieder an seinem Tisch und schnippte Asche gelangweilt in den Ascher.
" Jetzt dürfte es nicht mehr lange dauern. Sie sollten etwas Abstand zum Pool nehmen, denn gleich wird es hier ein wenig feucht. ", meinte er zu Guido gewandt.
Dieser rollte ein Stück zurück. Sein Blick war angst- und sorgenvoll fixierte auf jenes dunkle Loch im Zentrum des Pools. Nur noch wenige Augenblicke und es würde sich herausstellen, ob sein Freund es geschafft hatte.

Dann kamen die ersten Blasen und ein Donnern schwoll an, welcher von Sekunde zu Sekunde stärker wurde. Gerade, als es schien, die Vibration würde ihre Köpfe zerplatzen lassen, das schoss eine mannesbreite Fontäne aus dem Pool und benässte sie alle mit ihrer Gicht. Das ausgetretene Wasser kam der Schwerkraft entsprechend wieder zur Oberfläche, wo es durch eigens dafür gebaute Kanäle abfloss. Guido wischte sich die Feuchtigkeit aus den Augen. Sein Blick war zuerst nur verschwommen, aber dann sah er doch wieder. Überall im Atrium triefte und tropfte es, aber Georg war nirgends zu entdecken. Was war nur mit ihm geschehen? War dies gut oder ganz schlecht?
" Hm, wir haben Ihren Freund wohl tatsächlich überschätzt. Es sieht so aus, als wäre er im Meer oder bei den anderen Minenarbeitern dort unten. ", meinte er und warf seine erloschene Zigarre in den Pool.
"Sie Mörder. Warum tun Sie das? ", brach es aus Guido heraus.
Das war zu viel für ihn; er sank erschöpft in sich zusammen und wurde ohnmächtig.
Der Geschäftsmann gab seinem Diener ein Zeichen, der nahm etwas Wasser und spritzte es Guido ins Gesicht. Langsam öffneten sich seine Augenlider wieder und er blickte genau in die kalten Triefaugen des Geschäftsmannes. So viel Hass war darin, den er sich einfach nicht erklären konnte. Wofür das alles nur? Er kannte seinen Vater als liebevollen Menschen, der niemandem etwas zu Leide tun konnte und konnte sich dementsprechend auch nicht erklären, was jener Geschäftsmann so gegen ihn aufgebracht haben könnte.

"So, und nun kommen wir zu dir, du kleiner Bastard.
Hm, was hatte das nun wieder zu bedeuten?
"Jetzt ist der Vorhang gefallen. Dein Freund ist nicht mehr da um dir zur Seite zu stehen. "
Guido konnte gar nicht begreifen, was um ihn herum vorging. Sein bester Freund war tot und sein gegenüber bezeichnete ihn als Bastard. Das war zu viel für ihn. Er war nahe einer weiteren Ohnmacht, aber bevor er ihr entgegenglitt meinte er noch einen Schatten gesehen zu haben.

Der feige Geschäftsmann hatte in Zuversicht und Überheblichkeit seines vermeintlichen Triumphes seine Diener weggeschickt, um sich seiner Beute allein und genussvoll zu entledigen. Und genau dies war sein Verhängnis. Denn einer der vermeintlichen Diener näherte sich den beiden und gerade als der Geschäftsmann den bewusstlosen Guido in Richtung des Pools schob trat er aus dem Schatten des Atriums des umgebenden Säulenganges und schlug ihn k.o.. Der dicke Geschäftsmann sank tonlos in sich zusammen und blieb auf dem feuchten Boden regungslos liegen.
Als Guido seine Augen ein weiteres Mal öffnete, da sah er wieder direkt in ein paar Augen. Aber dieses Mal waren es die lächelnden Augen seines besten Freundes. Er wusste nicht wie Georg es geschafft hatte, aber er hatte ihn nicht im Stich gelassen. Nein, er hatte ihn sogar noch in dieser ausweglosen Situation gerettet. Vielen Dank, wollte er sagen, aber stattdessen lächelte er nur dankbar in das nasse Gesicht seines Freundes hinein.

Gerade wollte er schon fragen, wie er es denn dieses Mal angestellt hatte sie wieder aus der Bredouille zu retten, als ihm Georg ein Zeichen gab in Stille zu verharren, was er auch sofort tat.

Georg fuhr Guido mit seinem Rollstuhl in eine dunkle Ecke des Atriums, wo sie wenigstens erstmal sicher waren. Dann konnten sie kurz reden.
" Ich bin so froh dich zu sehen. "
Georg lächelte ihn erschöpft an.
" Wie hast du das nur wieder geschafft? Ich dachte schon du wärst ertrunken. "
" Das wäre ich auch fast. Aber ich hatte Mal wieder Glück. "
Ja, Georg hatte immer Glück. Es war so als halte eine höhere Kraft die Hand über ihn.
" Aber wie? ", flüsterte Guido.
" Tja, ich bin in die Steigleitung gesogen worden und da es so dunkel war habe ich es gar nicht gemerkt und um mich gegriffen. Dabei bin ich dann irgendwie in einen weiteren Versorgungstunnel gelangt und der hatte wieder eine Steigleitung, die aber nicht an das eigentliche System angeschlossen war. Dadurch befand ich mich in einer Luftblase, gleich einer Tauchglocke, die auch Bergungs- unternehmen nutzen und als der Strom an mir vorbei war habe ich einen weiteren Gang gefunden und dann hier im Anwesen nach oben bekommen. Lustigerweise war es gleich der Raum in dem die Diener waren und sich gerade fertig machten. Tja, der habe ich einen umgehauen und mir seine Kutte übergezogen. Und als wir dann alle ins Atrium mussten, da habe ich alles mit angesehen und auch wie die Fontäne hochkam. Hm, gut das ich da nicht drin war. ", meinte er sich der extremen Gefahr bewusst.

Guido konnte kaum glauben, was ihm sein Freund da gerade erzählte. Sie waren dem Schicksal also noch mal von der Schippe gesprungen.
" Und was ist mit dem Geschäftsmann passiert? Und seinen Dienern? "
" Tja, den Geschäftsmann habe ich aus dem Weg geräumt. Und die Diener befinden sich wohl noch im Anwesen und denen sollten wir lieber aus dem Weg gehen, denn wenn Sie feststellen, dass ihr Herr nun in den Minen ist, tja, ich weiß nicht, ob sie das gut oder schlecht finden. ", erzählte er und lächelte dabei .

" Wir müssen jetzt erstmal sehen, wie wir hier rauskommen. "
" Was hast du vor? ", fragte Guido, der immer noch benommen war von dem, was ihm sein Freund gerade erzählte hatte.
" Das was sich schon am Anfang wollte. Einfach nicht hier sein. " , und grinste Guido dabei frech ins Gesicht.

Was Guido und Georg nicht wussten war, dass einer der Diener misstrauisch geworden war, denn er hatte bemerkt das ein vermeintlichen Diener, Georg, nicht auf die Anweisung ihres Herrn gefolgt war, wieder zurück ins Anwesen zu gehen und ihn mit Guido allein zu lassen. Daraufhin hatte er im Verborgenen alles mit angesehen, das Georg den Geschäftsmann niedergeschlagen hatte, als dieser gerade im Begriff war Guido mit seinem Rollstuhl in den Pool zu fahren. Er rieb sich die Hände, hatte die Situation sofort erkannt. Über Jahre hinweg waren er und die anderen Diener unter Druck gesetzt worden, gezwungen für einen Hungerlohn dem Geschäftsman bei seinen perversen Neigungen zu helfen. Und auch ihre Familien hatte man bedroht. Nein, dachte er sich. Jeder ist seines Glückes Schmied. Wie viel Weisheit in diesen scheinbar einfachen Worten doch geborgen war, dachte er sich. Jetzt würde er sich das zurückholen, wie er es schon längst hätte tun sollen. Denn das Anwesen barg unendliche Reichtümern und eines Teiles würde er sich nun bemächtigen. Dafür musste er die Dienerschaft allerdings beschäftigen, um sie abzulenken, damit sie der Flucht der beiden nicht im Wege standen. Also rief er sie alle zusammen und erzählte ihnen ihr Herr hätte ihm den Auftrag gegeben das Labyrinth wieder aufzuräumen und alles wiederherzustellen. Damit waren sie aus dem Anwesen und schon Mal recht lange beschäftigt, dass, wenn sie wieder zurückkehrten auch er mit vollen Tasche außer Reichweite sein würde.

Georg und Guido wussten davon allerdings nichts. Sie tasteten sich, immer einer entsprechenden Gefahr bewusst, langsam durch das Anwesen. Georg schob Guido durch die verschiedenen Räumlichkeiten und staunte dabei nicht schlecht. Über all den Reichtum und vor allem über die saphirblau schimmernde Fundamentenplatte, mit den filigranen Verzierungen.
" Nicht das jetzt die richtige Zeit dafür wäre, aber eigentlich ist es wunderschön ihr oben."
" Ja, da sagst du was. Hier oben wäre es wirklich wunderschön, aber ich hatte leider nicht die Zeit dazu die Schönheit zu genießen während ich dich dort unten wusste und dirigiert habe. "
" Wie dirigiert?"
" Tja, während seines wahnsinnigen Tuns hat mich der Geschäftsmann über die Struktur des Baus aufgeklärt. Unten im Labyrinth ist nämlich alles genauso struckturiert wie hier oben. Mal abgesehen vom Atrium, beziehungsweise den Minen. Und mit diesem Wissen habe ich dich gedanklich durchgeführt."
"Das ist ja interessant. ", meinte Georg flüsternd.
" Weist du eigentlich, dass ich dich die ganze Zeit lang von ihr oben beobachtet habe? Die Decke ist nämlich von ihr oben her gesehen transparent. "
" Du hast mich also die ganze Zeit lang beobachten können? "
" Das habe ich. Und vielleicht hast du ja auch bemerkt, wie ich dich auf die Öffnung da oben aufmerksam gemacht habe, als das Wasser eintrat. ", und deute dabei auf jene Stelle.
Das hatte Georg tatsächlich, aber es war ihm in dieser Situation nicht bewusst gewesen.

Sie durchfuhren die Räume des Anwesens ohne entdeckt zu werden. Die beiden wunderten sich zwar etwas, das nicht einer der Diener aufgetaucht war, aber Hauptsache für sie war das sie das Anwesen verließen. Dann war der schwierige Moment gekommen. Sie hatten das Foyer erreicht aber auch da war niemand, um sie aufzuhalten. Die Türe aus dem Anwesen heraus war überschritten. Jetzt bestand allerdings die Gefahr auf offenem Terrain doch noch gestellt zu werden. Georg atmete einmal tief durch und dann schob er seinen Freund aus dem Schatten des Anwesens und rannte mit ihm in halsbrecherischem Tempo die Auffahrt zum Tor hinab. Jeden Moment rechneten sie damit doch noch entdeckt zu werden und auch das Verlassen des Anwesens gab ihnen keine rechte Sicherheit. Wie gesagtes, sie wussten eben nicht Bescheid, dass einer der Diener sich genau in diesem Moment gerade dabei war ein Sack mit den wertvollsten und prächtigsten Saphiren vollzuladen und sich auf seine Flucht vorzubereiten, während der Rest der Dienerschaft sich unten im Labyrinth befand und es für den nächsten Armen vorbereitete.

Georg und Guido waren mittlerweile wieder in der kleinen Hafenstadt angekommen und überlegten gerade, wie sie weiter vorgehen sollten. Zu Polizeistation hätten sie gehen können, aber dann gäbe es evtl. Schwierigkeiten. Georg hatte zwar ganz klar und eindeutig in Notwehr gehandelt, aber man wusste ja, wie es heute zu Tage lief, wenn ein einflussreicher Mann des Verbrechens beschuldigt wurde. Entweder glaubte einem niemand oder aber er hatte einflussreiche Freunde bzw. bestach sie, oder, was noch schlimmer war, er bedrohte unzählige rechtschaffene Menschen wie schon viele übler Ungerechtigkeit zum Opfer gefallen waren.

Also gingen sie einfach in ihre Stammkneipe und tranken erst noch einen über den Schrecken. Die nette Bardame, Bianca war ihr Name, hatte sie bereits vermisst, da sie sonst fast jeden Abend zugegen waren und erkundigte sich auch gleich nach ihrem Wohlbefinden.
" Na, ihr zwei. Wo wart ihr denn die letzten zwei Tage? "
"Wir waren recht beschäftigt. ", meinte Georg und konnte sich dabei ein Zwinkern zu Guido nicht verkneifen.


Nach den ersten zwei Bieren hatten sich die beiden wieder etwas entspannt.
" Weist du Georg, was wirklich seltsam war?"
" Du meinst neben dem Labyrinth und dem restlichen Wahnsinn? "
Guido nahm einen weiteren Schluck Bier.
" Ja, genau. Als der Geschäftsmann seine Diener aus dem Atrium geschickt hat, um mir den Rest zu geben, da hat er mich als Bastard beschimpft. Hm, ich habe ja schon so einiges zu hören bekommen, aber dieser tiefe, dieser abgrundtiefe Hass mir gegenüber war doch seltsam. Du kennst ja meinen Vater und er war doch einen herzensguter Mensch. Du kanntest ihn ja selber. ", er machte kurz eine Pause, um sich der Aufmerksamkeit seines Freundes zu versichern. Die hatte er.
"Naja, jedenfalls meinte er, dass sich ihm mein Vater in den Weg gestellt habe. Und er meinte es ernst, das konnte ich sehen, in seinen Augen. Ich kann es mir nur nicht erklären. "
"Tja, ich auch nicht. Aber weist du, ich bin hundemüde. Lass uns bezahlen und nach Hause gehen. Morgen überlegen wir uns dann, was wir weiter unternehmen können. "

Sie bezahlten also und verabschiedeten sich von Bianca. Ihr Weg war der gleiche und so brachte Georg Guido auch noch nach Hause, denn ihre Häuser lagen gleich nebeneinander.
Nachdem sich Georg vergewissert hatte das sein Freund in Ordnung war und es ihm an nichts mangelte, als dem Verständnis des Geschehens; hatten sie sich verabschiedet und er war nach Hause gegangen, einem wundervollen Schlaf entgegen.

Guido allerdings fand keine Ruhe. Ihn ließ der Gedanke nicht los, dass sein so rechtschaffener Vater etwas Schlimmes getan haben sollte, um sich den Zorn des Geschäftsmannes zu verdienen. In diesem Gedanken des Unverständnisses gefangen fuhr er noch mal in das Arbeitszimmer seines Vaters. Nach seinem Ableben hatte er es nur noch selten betreten, denn es war eine Kindheitserinnerung, die er sich bewahren wollte. Er hatte immer hier gearbeitet, wenn Guido ihn aufsuchte und er hatte sich immer Zeit für ihn genommen, ganz gleich wie beschäftigt er gewesen war oder wie wichtig seine Arbeit. Seine leibliche Mutter hatte Guido nie kennen gelernt. Angeblich war sie kurz nach seiner Geburt verstorben und so war sein Vater stets seine einzige Bezugsperson gewesen und er hatte ihm nicht nur die Mutter ersetzt, sondern war für ihn beide Elternteile in einem.

Jetzt lag das Zimmer verlassen da im spärlichen Licht und er war alleine. Sonst war es immer so gewesen, dass er die Präsenz seines Vaters spüren konnte und einen imaginäres Bild in ihm aufkam wodurch er ihn fast vor sich sah. Dies war jetzt nicht so, aber er vernahm auf einmal eine Stimme.
" Nimm mein Tagebuch, mein Sohn und du wirst alles verstehen. "
Eigentlich war es mehr ein Gedanke, eine Intuitionen, als eine materielle Stimme und Guido folgte ihr und ging zum Sekretär seines Vaters. Noch nie zuvor hatte er sich gewagt ihn zu öffnen, aber dieses Mal tat er es. Gleich in der obersten Schublade fand er ein altes Buch mit vergilbten Seiten. Auf dem ein Band stand " Tagebuch 19… bis. ".
Dies beinhaltete auch den Zeitraum seiner Geburt. Guido wurde etwas flau im Magen. Die Geschehnissen der letzten Tage und des Abends taten wohl auch ihren Beitrag dazu. Wer wusste schon, was sich darunter verbarg und ob das schöne Bild, welches er von seinem Vater hatte nicht verblassen würde.

Aber dann obsiegte doch seine Neugierde, denn er wollte endlich wissen, was die Ursache all dieses Wahnsinns war, der sich in den letzten beiden Tagen abgespielt hatte.

Während sein Freund, der sie beide gerettet hatte seinen wohlverdienten Schlaf genoss las Guido mit Tränen in den Augen im Tagebuch seines Vaters und konnte die Zusammenhänge kaum glauben, welche sich ihm eröffneten.

Als er das Buch zuschlug wusste er nun endlich was geschehen war.

Nachdem Georg am Morgen aufgewacht waren fiel ihm alles wieder ein; angefangen mit der Einladungen in das Anwesen und auch das man ihn dann gepackt hatte und in das dunkle Labyrinth gesperrt, die Aufgabe, welche er so gut gemeistert hatte und abschließend ihre viel zu einfache Flucht. Hm, dass waren wirklich etwas zu einfach verlaufen. Und in dem Verdacht, dass dies noch immer nicht alles gewesen sein könnte rannte er schnell zu Guido rüber. Georg fand ihn schließlich in dem Arbeitszimmer seines Vaters und er sah so aus, als hätte er gar nicht geschlafen. Ein ausdrucksloses Gesicht hatte sein Freund und er sah auch so aus, als hätte er geweint. Langsam ging Georg auf ihn zu den.
"Guido? ", tastete er sich voran.
Dieser deutete nur stumm auf das Tagebuch seines Vaters, welches ihm in der Nacht alle Zusammenhänge offenbart hatte. Auf dem Einband stand ja, dass es ein Tagebuch war so wusste Georg auch gleich Bescheid.
"Das Tagebuch deines Vaters? "
" Ja. Sieh dir mal die Datumsanzeige an. ", wies er seinen Freund an.
Das war kurz vor deiner Geburt. "
" Ja, genau. "
" Und? "
" Ich weiß jetzt warum es so weit gekommen ist und warum uns dieser Irre gefangen gehalten hat. " , und wieder trat eine Träne aus seinen Augen.
" Er war in Wirklichkeit mein Vater. "
Das traf auch Georg wie ein Blitz und er musste sich erstmal hinsetzen.
" Dein Vater? ", fragte er ungläubig.
" Aber wie konnte er dir dann so etwas antun?"
"Es war nicht mein leibliche Vater, aber seine Frau war meine Mutter. "
Das reichte, um Georg völligst zu verwirren.
" Mein Vater, der Geschäftsmann und seine Frau sind zusammen aufgewachsen. Meine Mutter ist dann seine Frau geworden, hat aber recht schnell gemerkt was mit ihm los war und wollte zu meinem Vater zurück. Dieser Irre hat sie aber nicht gelassen und sie eingesperrt.
" Und was hat das alles mit dir zu tun? "
" Na ja, meine Mutter hatte ihren Fehler wohl eingesehen und sie und mein Vater haben sich heimlich getroffen. Schließlich wurde sie schwanger. Aber der Geschäftsmann hatte alles durchschaut und kurz nach meiner Geburt hat er mich als Baby in ein Heim gegeben. Meine Mutter ist dann auf unerklärliche Weise verschwunden. Wer weiß, dass er mit ihr angestellt hat. "
Guido machte eine Pause, um sich zu sammeln.
" Jedenfalls hat mich mein leiblicher Vater dann sofort adoptiert und mich tatsächlich wie einen richtigen Sohn geliebt und aufgezogen. Aber er hat mir nie etwas davon erzählt und immer wenn es um meine Mutter ging, da meinte er, dass die Erinnerung für ihn zu schmerzvoll wäre, um darüber zu reden.

Hm, das erklärte Einiges. Guido´s Vater hatte also ein Verhältnis mit der Frau des Geschäftsmannes, mit seiner Jugendliebe und Guido war aus dieser entsprungen. Als der Geschäftsmann davon erfuhr gab er Guido weg und was er mit seiner Frau machte, darüber wusste wohl kein lebender Bescheid. Das war natürlich ein Schicksalsschlag. Aber Georg, der immer nach etwas Gutem suchte, auch im schlechtem, kam der Gedanke, dass sein Freund nun rein rechtlich gesehen eigentlich der Alleinerbe des Anwesens war. Davon erzählte er Guido in diesem Moment der Erkenntnis unheilvoller Zusammenhänge allerdings nichts, sondern blätterte das Tagebuch von Guidos Vater weiter durch und fand zu seiner Erleichterung am Ende bestätigende Dokumente, wie die Adoptionspapiere und seine Geburtsurkunde.

Er tröstete seinen Freund und brachte den erschöpften Guido erst einmal zu Bett. Dann machte er sich gleich mit den Papieren auf den Weg in die Stadt.

Wie gesagt hatte Georg seinen erschöpften Freund zu Bett gebracht und nachdem er eingeschlafen war hatte er sich Dokumente genauer angesehen und ging rüber in sein Haus, denn im Schlafanzug wollte er den Notar nicht besuchen.

In der Stadt war einiges los. Eine Menschentraube hatte sich am Hafen versammelt und bildete einen Kreis um eine leblose Gestalt, welche am Kai lag. Georg drängte sich durch die Massen. Ja, es war tatsächlich der Leichnam des Geschäftsmannes. Hm, so wusste er schon mal wo der Ablauf aus dem Labyrinth geendet hatte.

Georg hatte sein Vorhaben daraufhin abgebrochen, denn es wäre nur verdächtig gewesen, gleich nach der Auffindungen des Leichnams des Geschäftsmannes beim Notar aufzutauchen und für seinen Freund das Erbe einzufordern. Da war ein bisschen Geduld angebracht.

In den folgenden Tagen ermittelte man und fand auch bald heraus, das das Anwesen des Geschäftsmannes verlassen war, als auch das ganz offensichtlich einiges gestohlen wurde. So ging man recht schnell davon aus, dass es sich um einen Gewaltverbrechen handeln musste und da die gesamte Dienerschaft ebenso verschollen war, hatte man auch die Schuldigen recht schnell gefunden. Allgemein ging man im Dorf davon aus, dass der Geschäftsmann, es war ja allgemein bekannt, dass er recht skrupellos gewesen war und Dienerschaft erniedrigte. Also ging man davon aus, dass sie ihn beiseite geschafft hatten und sich dann der Reichtümer bemächtigt. Dies stimmte ja auch zu einem gewissen Teil.

Guido und Georg waren damit schon mal fein raus und über jeden Verdacht erhaben. Vor allem, da kein einziger der Diener des Geschäftsmannes wieder auftauchte.

Es stellte sich nun die Frage, wer Ansprüche auf das gewaltige Vermögen und das Anwesen hatte. Die Stadt war natürlich sehr interessiert. Aber Georg konnte anhand der Dokumente ganz klar belegen, dass Guido der rechtmäßige Erbe war und da es weder ein Testament noch einen Nachweis über den Verbleib der Frau des Geschäftsmannes gab wurde ihm nach Monaten des Rechtsstreits das Erbe dann auch zugesprochen.

Guido hatte es erst gar nicht annehmen wollen, aber Georg hatte ihm klar gemacht, dass es tatsächlich sein Erbe war und auch so etwas wie eine Wiedergutmachung für das ihm zugefügte Leid.

Guido hatte es schließlich doch angenommen. Er wollte aber nicht in dem Anwesen leben. Zu viele negative Ereignisse und Erinnerungen verknüpfte er damit.
Eines Abends waren sie dann wieder in ihrer Stammkneipe. Guido wusste gar nicht was er mit all dem Reichtum anfangen sollte und ob er ihn denn verdient hätte. Bianca kam zu ihnen an die Tisch.
" Na, ihr zwei. Wollte nur zwei Bier oder gleich die ganze Kneipe kaufen? ", meinte sie mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen.

" Hm, aber sie hat ja recht. Hast du dir mal überlegt, was du mit all dem Geld machen willst? ", meinte Georg alles sie wieder weg war.
" Es erst gar nicht haben wollen. "
" Ich würde das Geld von dem Drecksack auch nicht haben wollen. Aber überleg dir doch mal, was man damit alles tun kann. "
" Was mit denn zum Beispiel? ", fragte Guido betrübt.
" Na, wir könnten es zum feiern nutzen und aus dem alten Kasten ein Hotel machen. Die Leute sind verrückt danach in so einem Anwesen zu wohnen. Denkb mal an die fantastische Einrichtung und die Minen.

Weiter kam er an diesem Abendallerdings nicht, aber Guido hatte nach einer gewissen Zeit dann doch die Möglichkeiten erkannt und auch ihre Tragweite.

Georg und Guido hatten dann tatsächlich ein Hotel aus dem Anwesen gemacht. Denn dies kam auch dem gesamten Küstenstädtchen zugute. Arbeitsplätze waren geschaffen und der gesamte Ort bekam neues Leben eingehaucht. Die Fischer im Dorf belieferten ihr Restaurant und auch die übrigen im Dorf befindlichen Geschäfte nahmen teil an dem allgemeinen Aufschwung.

Was noch ganz interessant war, war das auch einige der anderen Bewohner der kleinen Hafenstadt auf einmal zu ungeahntem Reichtum kamen, ohne dass sie augenscheinlich mit dem Anwesen und Georgs sowie Guidos neuem Hotel in Verbindung standen.

Im Hotel stand für den heutigen Abend ein großes Bankett an. Guido rollte gerade durch den Raum mit den hohen Wänden wo das saphirene Leuchten der Fundamenten Platte die Schönheit der eingearbeiteten Verzierungen unterstrich. Er erinnerte sich noch einmal kurz daran wie er von genau diesem Standpunkt aus seinen besten Freund dirigiert hatte, als der wahnsinnige Geschäftsmann die Kontrollkonsole betätigt hatte und das Wasser ins Saphirlabyrinth eindrang. Er ließ diesen Moment noch ein wenig tiefer sinken, um sich des Rechtes gewiss, der neue Eigentümer dieses Hotels zu sein. Dann löste er sich von dem Gedanken und beschloss die dunklen Momente nicht wieder zu sich vordringen zu lassen, jedenfalls nicht an diesem Abend.

Guido rollte ins Foyer und half Georg dabei die Gäste des Abends zu begrüßen.

Das Bankett verlief sehr gut und immer wieder kamen Gäste zu ihnen an den Tisch, um ihnen zu gratulieren und zu bestätigten einen unvergesslichen Aufenthalt gehabt zu haben.

Als es wieder etwas ruhiger geworden war und alle Gäste versorgt gingen Guido und Georg ins Atrium. Guido sah seinen Freund an und einen dankbares Lächeln erfüllte seine Züge. Georg sah es, sagte aber nichts, denn er wusste ganz genau, welchen Gedanken sein Freund nachhing. Sie kannten sich ein ganzes Leben lang und da wo andere ganze Sätze sprechen mussten um sich zu erklären, da genügt bei ihnen ein einziger Blick und jeder wusste ganz genau was der andere dachte. Ja, Guido war durchaus bewusst, dass dies genau der Ort war, wo sein Leben hätte enden können, hätte sein Freund nicht alles in Bewegung gesetzt um ihn zu retten. Mit einem Blicke bedankte er sich bei ihm. Georg drückte ihm daraufhin freundschaftlich die Schulter und auch sein Blick schien zu zeigen, dass dies doch selbstverständlich wäre zwischen Freunden und das Guido gut daran getan hätte auf ihn zu hören.
" Na, ihr zwei. Da seid ihr ja, " meinte eine Stimme und zwei wunderschön gekleidete Dame betraten das Atrium.
Es waren Bianca und Melanie.
" Wir haben euch schon vermissten. Was macht ihr denn hier draußen? "
" Wir haben nur ein bisschen über alte Zeiten geplaudert. "
" Und, lasst ihr uns daran teilhaben.? "
" Natürlich, aber erst wenn die Gäste versorgten sind. ", meinte Georg, nahm Melanie in die Arme und führte sie durch das Atrium von Guido und Bianca weg.
" Lassen wie die beiden mal alleine. ", meinte er und, " genießen wir die Nacht und die Musik. "
Dann gingen sie in den Ballsaal und tanzten in den wunderschönen Klängen des Walzers von Chopin. Sie blickten sich in die Augen und als Georg Melanie küsste, da war es als würde sich die Welt um die beiden drehen und nicht mehr sie im Takt des Walzers.

Ende

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