Das smaragdene Kreuz
von Jörg Geuer

 

Das smaragdene Kreuz


„Das smaragdene Kreuz“

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von Jörg Geuer 07.04.2000-20.04.2000



„Es dürfte schon so an die 30 Jahre her sein, die seit damals vergangen sind. Zu dieser Zeit war ich noch sehr jung und strotzte nur so vor Energie. Wie war es doch noch gleich?"
Der Greis versuchte die Bilder der Vergangenheit zurück zu erzwingen.
"Hah.", schrie er auf.
"Jetzt habe ich sie wieder."
Die Erinnerung.
"Ja, genau so war es."
Dabei beugte er sich mit seinen blutunterlaufenen Triefaugen tief hinunter zu seinem Gegenüber und begann seine Geschichte aufzunehmen.
"Tja, mein Freund. Die Geschichte, welche ich ihnen erzählen möchte ist etwas eigenartig und zugleich auch phantastisch. Aber sie ist tatsächlich geschehen, denn ich habe sie selbst erlebt."
Er lachte kurz auf. Das schwache flackernde Kerzenlicht erhellte seine eingefallenen Züge und brachte unzählige Falten zum Vorschein, welche harte Schatten warfen.
"Ja, ja. Es ist tatsächlich passiert.", murmelte er in seinen langen gepflegten grauen Bart hinein.
"Es war wohl im Jahre ..., als ich die Sirenen das erste Mal hörte. Damals arbeitete ich noch in der Spinnerei. Ja, genau so war es. Jetzt fällt mir wieder alles ein.", erfreute sich der alte Greis an der Erkenntnis seine Erinnerungen doch noch zu Tage fördern zu können.
"Die wirtschaftliche Lage war schlecht, aber mir machte das nichts aus, denn ich hatte immer Arbeit gefunden. Wissen sie, ich bin im ganzen Land, auf dem ganzen Kontinent herumgesprungen und ich habe immer Arbeit gefunden. Ob es sich nun um eine Spinnerei handelte oder ob ich mit zur See fuhr zum Fischen, dass interessierte mich damals nicht."
Sein Gegenüber wurde langsam unruhig. Der alte Kerl schweifte mal wieder ab. Wann er denn endlich anfangen würde fragte er sich.
"Na gut. Lassen wir das. Jedenfalls habe ich damals noch in der Spinnerei gearbeitet. Wir haben Teppiche und so allerlei Anderes hergestellt müssen sie wissen. Das Dorf war arm und wir freuten uns über jeden noch so kleinen Auftrag. Dann tat sich etwas Seltsames. Das Mac Quier Anwesen wurde verkauft. Ich muss wohl hinzufügen, das dieses Anwesen etwas ganz besonderes war. Üble Geschichten machten im Dorf die Runde. Angeblich, hieß es, das dieses Anwesen verhext sei. Die Erben des verblichenen Eigentümers hatten es schon viele Jahre zum Verkauf angeboten, aber niemand aus der Region hatte sich auch nur getraut sich dem Anwesen zu nähern. Jedenfalls war dieses Anwesen nun allem Anschein nach doch verkauft worden. Jimmy, der Assistent des damaligen Notars, verbreitete die Neuigkeit in der Dorfschenke. Na, wie auch immer. Zurück zur Geschichte. Einige der Dorfbewohner berichteten davon Lichter gesehen zu haben und seltsamen Gesang gehört. Die Geschichte machte wie gesagt schnell die Runde und schon bald wusste das ganze Dorf Bescheid. Da sich hier nicht viel ereignete, jedenfalls nicht zur damaligen Zeit, wurde es zur Zielscheibe des täglichen Geschehens."
Der Greis hielt kurz inne, um an seiner dicken Zigarre zu ziehen. Genüsslich stieß er in dicken Kringeln den Rauch zur Decke hinauf und vernebelte den dunklen Raum zusehends.
"Also beschäftigten sich die Dorfbewohner am Tage mit Mutmaßungen über die neuen Eigentümer und dem angeblichen Fluch, der auf dem Anwesen lastete wie ein Damoklesschwert. Ich war damals noch neu in der Gemeinde und verlachte die Ängste der Dorfbewohner nur, da ich im Laufe meiner Reisen schon vieles gehört und gesehen hatte, aber eines Tages sollte sich meine Meinung ändern, als ich selbst eine höchst mysteriöse Begegnung hatte.
Für diesen Tag hatte die Wetterwarte schlechtes Wetter vorausgesagt und dies bestätigte sich mit einem Blick aus dem Fenster. Dichte, undurchdringliche Nebelwände beraubten die Augen dessen grandiosen Ausblickes auf die Silhouette des Meeres mit seinen kleinen Inseln, die weit entfernt, teils bewohnt, in Mitten des Meeres die flüssige Oberfläche durchbrochen hatten. Wie kleine Berge lugten sie hinaus aus dem beweglichen Nass gleich neugieriger Kinder.
Eine Karawane aus Automobilen schlich die schmale Küstenstraße entlang. Die Limousine zu Anfang durchschnitt mit ihren Scheinwerfen die milchig trübe Luft. Darauf folgten einige große Frachtwagen und den Abschluss bildete erneut eine teure Limousine. Ihr Ziel? Das Anwesen. Am Steilhang gelegen prangte es wie ein natürlicher Erker. Der dichte Nebel hatte die Sonne abgeschirmt und umhüllte die Berge mit kalter Hand. Es war nicht mehr zu erkennen, wie hoch sie hinauf ragten, dem Himmel empor, aber sie waren mit Sicherheit nahe daran diesen zu berühren. Die Karawane hatte das besagte Anwesen erreicht. Das Tor wurde mit einem alten patinierten Schlüssel geöffnet und die Schlange hielt Einzug in den privaten abgegrenzten Teil des Anwesens.
Ein Schäfer hatte auch an diesem Abend seine Schafe zu hüten, ungeachtet des miserablen Wetters, denn seine Schafe mussten weiden, ganz gleich wie das Wetter war. So hatte er im Nebel ein Leuchten wahrgenommen und war dem hellen Schein am Horizont gefolgt. Dieser hatte seine Neugierde erregt und die Herde unbeachtet gelassen, fiel sein Blick über eine hohe grob zusammengetragene Steinmauer und sah noch in sicherer Entfernung die Wagen zum Anwesen fahren, welches laut Hörensagen mit vergänglichen Mythen behaftet war. Aus der Ferne konnte er miterleben, wie die Wagen im Hof des Anwesens Einzug hielten. Das gewaltige Portal war geöffnet worden und sogleich hatten Schatten damit begonnen in der Dunkelheit unzählige Kisten ins Gebäude zu schaffen.
Der Schäfer fröstelte kurz im kalten Nebel, welcher sich mit feuchter Hand auf seiner Haut niederließ. Ob dies wirklich der Grund war oder aber das was er in einiger Entfernung vor sich sah, das wusste er damals noch nicht. Ihn erfasste ein unangenehmes Gefühl und seine Muskeln spannten sich an, als er den trüben Bildern folgte. Seltsame Gestalten löschten die Ladung und die bildende Schlange sowie die Erleuchtung der Zimmer des Anwesens reichten aus um seine Phantasie erneut derart anzuregen, dass sich seine Nackenhaare sträubten. Was ging da nur vor? Alte Geschichten, die sich um das Anwesen rankten erfassten seine eh schon ängstliche Natur. Da fiel das Licht der geöffneten Eingangstüre auf eine der Kreaturen, die das Hab und Gut des neuen Besitzers ins Haus schaffte. Dem Schäfer stockte das Blut in den Adern, denn der Diener des Herrn besaß kein Gesicht. Dort wo andere Menschen unter dem Schirm Gottes ein Gesicht besaßen, dort war bei ihm nichts, ein Vakuum des Individuums. Mit Schrecken musste er feststelle, dass er weder über Augen noch über Mund und Nase verfügte. Dort wo sie sein sollten, da zog sich nur die Haut nach innen, wie beim Heilen einer frischen Wunde. Alles, was einem Menschen an Persönlichkeit gab, war wie weggewischt. Alle Diener des neuen Herrn waren gesichtslos. Nackte Panik ergriff den Schäfer. Er ließ seinen Hirtenstab fallen und lief mit dem Ausdruck nackten Entsetzens im stummen Schrei ins Dorf.“

Der Greis zog abermals an seiner dicken stinkenden Zigarre und stob den unangenehm riechenden Qualm in wattigen Kringeln der Decke des schlecht belüfteten Raum entgegen. Er ließ sich Zeit mit seinen Ausführungen, denn auch für ihn war es sichtlich nicht einfach mit der Vergangenheit zurechtzukommen. Der Gast wartete geduldig auf das erneute Einsetzen der Erzählung, auch wenn er in Wahrheit seinen Wissensdurst kaum zügeln konnte. Gerade wollte er seinen persönlichen Erzähler schon auffordern weiter zu erzählen, als er von ganz alleine diese wieder aufnahm.
"Sie wollten gerade fragen wie es weiter ging?", nahm er ihm die Frage aus dem Munde, ehe er sie stellen konnte.
"Ja, das wollte ich.“
„Mir ging es damals nicht anders, als ihnen jetzt. Also, der Schäfer stürmte zu uns hinein in die Dorfschenke und ein jeder wusste sofort, das etwas besonderes geschehen sein musste. Total verstört saß er da und bestellte sich einen nach dem anderen. Der Schäfer war völlig apathisch und stammelte nur so vor sich hin. Man konnte ihm keinen einzigen zusammenhängenden Satz entlocken. Schließlich brachten wir ihn nach Hause, in der Hoffnung am nächsten Tag wenigstens Antworten auf unsere Fragen zu bekommen. Dies war das Beste, was wir in diesem Moment hatten tun konnten. Am Morgen hatte er sich wieder etwas beruhigt, sah aber immer noch recht übel aus. Die Züge waren eingefallen und seine Angst zum Greifen nahe, er bot ein jämmerliches Bild. Tief eingeschnittene Ringe umrahmten seine geröteten Augen und auch jetzt war es nicht leicht seinen hervorgestoßenen wirren Gedanken zu folgen. Mit der Zeit bekamen wir dann aber doch heraus, das es etwas mit dem Anwesen der Mac Quiers zu tun hatte. Seine Frau und seine Kinder standen, selbst schon ganz verstört, hinter ihm in Sorge, was denn geschehen sein könnte. Dann wandte ich mich an die Frau und bat sie sich um die Kinder zu kümmern und uns mit ihrem Man allein zu lassen. Sie tat es und führte die beiden Kinder mit sorgsam ausgebreiteten Armen nach draußen. Wir befragten den Schäfer weiter, bis sich der Knoten innerer Verkrampfung endlich löste und wie eine freigetretene Lawine platzte es aus ihm heraus.“
"Da waren Lichter. Ganz viele Lichter. Und Autos."
Noch war nichts sonderlich beängstigendes erkennbar.
"Was waren denn das für Lichter?", hatte ich ihn damals gefragt.
"Die Autos und die Fenster."
"Also Autos haben Lampen und Zimmer auch. Was war denn nun mit diesen Lichtern?"
"Sie haben mich sehen lassen."
Er hielt wieder inne und zierte sich wie ein kleines Kind, dass nicht so recht wusste, ob es das Gesehene erzählen durfte.
"Nun erzählen sie schon Man!", brach es aus einem der anderen beiden heraus.
Der Schäfer zuckte sichtlich verschreckt zusammen, fuhr dann aber doch fort.
"Da waren Kreaturen ohne Gesichter und ein seltsamer Gesang."
"Was denn für Kreaturen und was für ein Gesang?"
"Und was war denn so seltsam an den Kreaturen? Dass sie gesungen haben?", mischte er sich ein.
"Nein, nein. Sie haben nicht gesungen, sie hatten keine Gesichter."
"Keine Gesichter?"
"Nein. Keine Gesichter."
Das war das letzte, was wir an diesem Abend aus ihm herausbrachten. Scheinbar hatten wir durch unsere penetrante Fragerei den Schäfer wieder zurück in Gedanken an den geistigen Ort seiner noch tief verwurzelten Furcht versetzt, denn man konnte mitansehen, wie er sich innerlich wand im Kampf mit seiner Erinnerung. Es war unangenehm den Quallen des armen Mannes beizuwohnen. Seine Augen rollten wild umher und er kauerte sich in seiner mächtigen Gestalt zusammen. Diesem Zustand musste ein Ende bereitet werden.
"Nun gut. Belassen wir es dabei. Geh schlafen und ruh dich erst Mal richtig aus. Wir werden uns schon um deine Schafe kümmern."
Unsere Neugierde befriedigend und unseren Versprechen nachkommend machten wir uns also auf, die Schafe nach Hause zu bringen und das Anwesen zu untersuchen. An der Weide angekommen fanden wir die Schafe wie gewöhnlich vor und trieben sie zusammen. Das Anwesen lag völlig ruhig vor uns. Zwar standen ein paar Wagen davor, aber von etwas Ungewöhnlichem war nichts zu sehen. Wir beschlossen also der ganzen Sache bei Dunkelheit nachzugehen.

Die Nacht war recht ruhig, aber dafür um so kälter. Der an diesem Abend herrschende Vollmond hätte uns sowieso nicht schlafen lassen und so liefen wir, tief eingehüllt in wärmender Kleidung, durch die kühle Finsternis, bis zu einer grob aufgeworfenen Steinmauern, hinter der wir verharrten. Als sich auch nach geraumer Zeit noch nichts besorgniserregendes ereignet hatte beschlossen wir uns das Gebäude aus der Nähe zu betrachten. Wir schlichen uns also voran. Was wir damals allerdings noch nicht bemerkten war, dass sich das Wetter mit jedem unserer Schritte zunehmend verschlechterte. Die Wolken zogen sich dicht zusammen und schoben sich vor die helle Licht spendende goldene Scheibe. Zu Anfang war der Regen noch sehr dünn, aber als wir uns dem Anwesen genähert hatten, die Mauern bereits mit den Händen berühren konnten, da mußten wir unter dem Dach des Hauses Schutz vor den hereinbrechenden Fluten suchen. Dicht an die Wand des Hauses gepresst verharrten wir dort für einige Momente. Als sich aber auch nach voranschreitender Zeit nichts an der Lage änderte waren wir gezwungen unser Handeln zu überdenken und gerade als wir unseres lächerlichen Tuns bewusst wurden, da sahen wir aufeinmal wie das Licht in einem der Zimmer entzündet wurde. Wir wollten doch wenigstens einmal nach dem Rechten sehen, bevor wir dem Schäfer seine Herde brachten. Aber das, was wir zu sehen bekamen, das übertraf doch noch all unsere Phantasie.
Im Raum saß auf einem Sessel, gleich einem Thron, eine männliche Gestalt kräftiger Statur und einem rauschenden schwarzen Bart. Zu seiner Linken hielt sich eine Frau asiatischen Ursprungs auf. Zierlich war ihre Statur zu nennen, zerbrechlich wie ein gläserner Löffel. Voyeuristisch sahen wir, wie sich eine große doppelflügelige Türe öffnete und es erschienen, Gott hab sie selig, zwei Kreaturen, die tatsächlich keine Gesichter besaßen. Statt ihrer Augen, Nasen und Münder da zog sich ihre Haut, wenn es denn eine sein sollte, in ihrem Zentrum zusammen, wie bei einer frisch verheilenden Wunde.
Erst jetzt wurde ich mir des unterschwellig vorhandenen Gesangs bewusst. Der Schäfer hatte also doch die Wahrheit gesagt. Es war ein Gesang, wie bei den Sirenen in der Geschichte des Odysseus und auch mich erfasste jetzt der innere Drang mit eiskalter Hand in das grausige Anwesen zu gehen. Zu unser aller Glück gewann die Angst der andern beiden Oberhand und sie hielten mich zurück. Aber ich wollte dennoch sehen, was sich dort drinnen tat. Der Gesang wurde immer lauter und einladender, sich seinem Höhepunkt nähernd, aber wir hielten stand und sahen mit weit aufgerissenen Pupillen zu, was sich im Inneren abspielte. Wie bei einem Ritual schritten die Gesichtslosen zu ihrem Herrn und reichten ihm einen Gegenstand auf samtenem Kissen, den wir leider nicht erkennen konnten. Er nahm das Objekt wie selbstverständlich entgegen, drehte es in seinen Händen hin und her, dann schickte er seine Diener mit einem Wink seiner anderen freien Hand hinfort. Sie folgten seiner unausgesprochenen Weisung und die Türe schloss sich wieder. Wir versuchten nun zu erkennen um was es sich bei dem Gegenstand handelte, konnten es aber immer nicht erkennen, da das Licht erstarb, ohne das wir einen der Gesichtslosen oder entgegengesetzt geschlechtlichen sich bewegen gesehen hatten. Der Schutz der Dunkelheit hüllte sie ein, ähnlich wie die uns hier draußen im kalten Regen. Dann, ein kleiner greller Blitz, zog erneut unsere Aufmerksamkeit auf sich und wir drückten unsere Nasen an der Scheibe platt, wie kleine Schuljungen, die ihre Freunde eingeladen hatten ihrer Schwester beim Umziehen zuzusehen. Genauso staunten auch wir über den unerwarteten Anblick, der sich uns bot. Die Quelle des kleinen intensiv leuchtenden Gegenstandes war das Objekt, was dem Herrn erst eben gereicht worden war. In seiner Aura konnten wir nun wieder schemenhaft wenigstens einmal die Konturen von Gestalten erahnen. Zuerst nur vage, dann aber immer mehr an Substanz gewinnend erkannten wir die Silhouetten der beiden. Jetzt hatten sich unsere Augen an das Licht gewöhnt und wir konnten sie deutlich vor uns sehen. Da waren noch mehr Gestalten und dieser allgegenwärtige hypnotische Gesang, der zwischenzeitlich schwächer geworden war, nun aber wieder voll anschwoll und sich mit fortschreitender Aktion seinem Höhepunkt hin näherte. Er hatte uns ganz in seinen Bann gezogen und mit träumerisch hypnotischen Blick folgten wir dem Schauspiel. Die neuerlichen Gestalten, die wir ausgemacht hatten, entpuppten sich als die wunderschönen Sirenen von denen aus der bezaubernde Gesang ausging. Sie schwebten durch den Raum, durch die Töne ihrer eigenen Melodie getragen.
Die Gefühle, die mich damals ergriffen, vermag ich nicht in Worten zu kleiden.
Mit vor Staunen weit geöffneten Mund wohnten wir der verwandelten Szene bei. Das ganze Zimmer hatte seine Gestalt verändert. War es zuvor noch ein ganz gewöhnlicher Raum gewesen, so hatte er sich nun zu einem überdimensionalen Ausschnitt aus dem Meer verwandelt. Eine phantastische Unterwasserwelt, in der die Gestalten scheinbar atmen konnten, schwebend in der sauerstoffhaltigen Masse. Beinahe hätten wir den Grund unseres Besuches vergessen, als er uns wieder bewusst wurde und auf das entgegengeschlechtliche Pärchen konzentrierte. Unsere Augen fanden das gesuchte Ziel nach kurzer Zeit der Suche, obwohl sie sich nicht vom Fleck gerührt hatten, im Zentrum des Geschehens wieder. Beide waren nackt, wie Gott sie einst geschaffen hatte. Ihre Körper rankten sich umeinander im Liebeskampf gefangen. Eigentlich schickte es sich nicht in einem derartigen Moment der Wollust deren Treiben zu beobachten, aber wir waren machtlos, der Gesang der Sirenen haftete an uns wie vertrocknete Disteln. Dann war es auf einmal vorüber, ganz plötzlich. Die Szene flackerte und wurde instabil, bis sie schließlich aus dem Raum floss, als hätte jemand den Stöpsel gezogen. Das Ritual war vorüber.

Was wir zu dieser Zeit noch nicht wussten, wohl aus Überlastung der Sinne, dass dieses zierliche Geschöpf und ich über eine tiefsitzende Verbundenheit eng miteinander verknüpft waren. Dies sollte sich allerdings erst später herausstellen. Wie in Trance taumelte ich zurück ins Dorf. Während des Rituals hatte ich gar nicht bemerkt, das die andern beiden in panischem Entsetzen das Weite gesucht hatten. Die Schafherde des Hirten hatten wir allesamt vergessen und erst als ich in der örtlichen Schenke Zuflucht suchte begegnete ich ihnen wieder. Die beiden saßen am Tresen mit einem apathischem Ausdruck in den Augen, gleich dem des Schäfers damals. Meiner muss wohl ähnlich gewesen sein, mal abgesehen von der Faszination, die das Ereignis gleichfalls auf mich ausgeübt hatte. Die zwei hatten schon tief ins Glas geschaut und auch ich bestellte mir gleich einen doppelten Whisky, bevor ich meinen Platz gefunden hatte. Sie sahen nicht auf als ich mich zu ihnen gesellte, denn sie wussten ja, dass ich es war und waren in ihren Gedanken schließlich noch so tief gefangen, dass sie ihre Umgebung kaum wahrnahmen. Das war durchaus verständlich, denn auch ich hatte so meine Probleme mit der Situation.
Zu einem normalen Gespräch kam es nicht mehr an diesem Abend und auch an den folgenden Tagen vermied ein Jeder das Gespräch auf den besondern Abend zu lenken. Wir hatten an diesem am Tresen gesessen und tranken stumm vor uns hinsinnierend. Zum Abschied trat ich zwischen die beiden, legte ihnen die Hand auf die Schultern und meinte, dass wir darüber noch mal sprechen müssten. Sie nickten zwar stumm bejahend aber schon damals war mir klar, dass daraus wohl so schnell nichts werden würde. Damit verließ ich die Schenke und überließ sie ihrem eigenen Schicksal."

Der Zuhörer hatte gar nicht gemerkt, dass der Greis das Zimmer verlassen hatte, in seiner Erzählung inne gehalten. Im Geiste sponn er die Bilder weiter. Da materialisierte sich das Zimmer mit der Unterwasserlandschaft, die Sirenen in diesem und die hemmungslosen Gestalten, die sich im Liebestanz umeinander wandten. Seine Augen hatten einen seltsamen Schimmer bekommen und so saß er in seinem gemütlichen Ohrensessel, bis der Greis wieder den Raum betrat. Durch das Schließen der Türe riss sein Bild imaginärer Vorstellung ab. Er wollte nun mehr wissen. Seine Neugierde war frisch entfacht und brannte gerade zu.

"Haben sie je herausgefunden, um was für ein Objekt es sich bei dem ungewöhnlichen Ritual handelte?"
"Oh ja. Das habe ich. Allerdings erst sehr viel später."
"Und? Was war es denn? Und warum hatten die Diener keine Gesichter?"
Der Greis zügelte seine Neugierde.
"Immer mit der Ruhe und der Reihe nach. Darauf komme ich später noch zu sprechen." und nahm den Faden wieder auf.

"Der Abend war lange vorüber und es dauerte einige Zeit, bis sich die Unruhe im Dorf wieder etwas gelegt hatte. Hin und wieder kam einer der Diener ins Dorf um einzukaufen."
"Einer der gesichtslosen Diener? Aber ich dachte doch die hätten keine Gesichter."
"Das dachten wir damals auch. Aber dieser Diener hatte eines. Vielleicht war es ein ganz besonderer Diener oder aber sie verfügten über Möglichkeiten die wir nicht kannten. Wie auch immer. Dieser Diener war kein Gesichtsloser. Dies beruhigte wohl auch die Dorfbewohner und verweigerte ihnen jeglichen Nährstoff für weitere Mutmaßungen. Auch gab es Tage an denen der Herr selbst mit seiner asiatischen Konkubine das Dorf besuchte und in die Schenke bzw. die wenigen Gaststätten einkehrte. Er sah sich als spendabler Man, gab ein Trinkgeld hier, spendete dort und war stets nett und freundlich zu den Leuten, welche sich aber dennoch unangenehm bedrängt fühlten in seiner Umgebung. Mit der Zeit verflog aber auch dieser Zustand und der neue Herr des Mac Quier Anwesens erfreute sich bald höchster Achtung unter den Dorfbewohnern. Die sich im Umlauf befindlichen Gerüchte waren nahezu verstummt. Ich ließ mich aber nicht so leicht täuschen und auch nicht meine beiden Begleiter und der leider noch immer verstörte Schäfer, welcher seiner Angst zum Opfer gefallen war und von diesem Zeitpunkt an an jedem Abend in der ortsansässigen Schenke stets betrunken anzutreffen war. Scheinbar hatten ihn die ungewöhnlichen Ereignisse überfordert und ins Unglück gestürzt. Wir drei wussten es allerdings besser. Innerlich ahnten wir, dass hinter der Fassade des gönnerhaften Getues des Herrn etwas sehr bedrohliches vorherrschte. Eine Aussprache war längst überfällig und Tage später sollte unsere vorgenommene Unterredung doch noch stattfinden, von welcher ich längst dachte, dass sie im Sand verlaufen würden, wie die Spuren einer Möwe, nach der Flut. Wir mussten vorsichtig sein, denn das gesamte Dorf befand sich unter dem Einfluss des Herrn, der sich die Loyalität der Dorfbewohner durch Spenden erkaufte. Sie wussten es nur noch nicht. Unsere Freunde und Verwandte durften wir nicht einweihen und selbst einige von uns waren nahe daran den Abend des Schreckens als bösen Traum abzutun. Auch ich war in meinem starken Glauben erschüttert, nur der scheinbar wahnsinnige Schäfer ließ sich in nicht verunsichern und machte uns die tatsächliche Tragweite des allgegenwärtigen Geschehens bewusst. Zum Glück waren wir nicht vollkommen taub in seelischer Hinsicht und nachdem er uns die Lage deutlich gemacht hatte, da sahen wir die Bilder des Abends wieder völlig klar vor uns liegen und auch unsere damaligen Gefühle und Absichten erwachten zu neuem Leben.
Der Abend, welcher in der Dorfschenke sein apathisches Ende genommen hatte knüpfte an selbigen Handlungsort wieder an, um die Geschichte zeitversetzt, aber doch beinahe nahtlos, fortzusetzen. An dem scheinbar zufälligen Momenten unseres Zusammentreffens im Dorf hatten wir uns stets zugezwinkert, in dem inneren Wissen, dass wir noch eine Aufgabe zu erfüllen mussten, die wir zwar begonnen aber noch nicht beendet hatten. Dies stand uns nun bevor. So war es auch meiner Meinung nach kein Zufall, der uns an diesem Abend erneut in der Dorfschenke zusammenbrachte.
Es war ein anstrengender Tag in der Spinnerei gewesen. Eigentlich wollte ich nur einmal sehen wer noch eingekehrt war, als ich die drei dort am Tresen in angeregter Diskussion antraf. Es dauerte nicht lange, bis ich hinter den Inhalt des Gesprächs gekommen war. Es handelte sich um das, was auch mir auf der Seele brannte, nämlich der besagte Abend. Im Rausch des Alkohols wurde der Schäfer immer lauter in seinen Ausführungen und die anderen Gäste wandten sich schon um, taten aber seine Worte als die eines Trunkenboldes ab. Wie hieß es noch gleich. Im Wein liegt die Wahrheit und das tat sie tatsächlich. Trotzdem war es uns unangenehm und wir versuchten nach Leibeskräften den Schäfer zum stillen Gespräch zu bewegen. Wir wollten kein Aufsehen erregen und das schafften wir schließlich auch, aber leider nicht mit Worten, sondern wir waren gezwungen ihm den einen oder anderen mehr einzuschenken und dann nach Hause zu bringen.

Die Türe tat sich auf und ein Raunen ging durch den Raum. Der Herr hatte sich tatsächlich herabgelassen die Dorfschenke, aus welchen Gründen auch immer, aufzusuchen. In seiner Begleitung befand sich eine weitere Person, tief eingehüllt in einen königsblauen Kapuzenmantel, sodass man nicht gleich erkennen konnte, um wen es sich handelte. Gebannt lasteten alle Blicke auf dem neu eingetretenen Paar. Der Herr wurde sofort begrüßt und mit der nötigen Aufmerksamkeit versorgt. Freundlich wurde er willkommen geheißen und ebenso schnell ein Platz für ihn freigemacht. Die Geräuschkulisse schwoll erneut an um das Zentrum des Geschehens. Ein jeder wollte Kontakt zu dem Herrn haben, ganz im Gegensatz zu seinem Begleiter, der nun gar keine Beachtung mehr fand, ausser durch mich.
Zu unserer Erleichterung war der Schäfer tief ermüdet auf der Theke zusammengesunken und schnarchte zufrieden vor sich hin. Der Herr dagegen widmete sich der Konversation mit den anderen Gästen und erzählte von ein paar Projekten, dem Krankenhaus und der Schule, die er errichten lassen wollte. So war es nur natürlich, dass sich alle Aufmerksamkeit bei ihm sammelte. Die kleine Gestalt war vollkommen in den Hintergrund getreten. Ein Blick versicherte mir, dass auch meine beiden Mitstreiter das Treiben gebannt beobachteten. Ich aber fühlte mich unsagbar zu dieser kleinen eingehüllten Gestalt hingezogen. Warum konnte ich auch nicht sagen, aber vielleicht hatte ich sie unterbewusst doch schon erkannt. Später dann fiel es mir auf, was mir verstandesmäßig längst hätte klar sein müssen. Während sich der Herr mit seinen Gästen beschäftigte, wandte sich die kleine nonnenhafte Gestalt etwas zur Seite und ich konnte beobachten wie sie ihre Hände zur Kapuze führte und sich anschickte sie zu lüften. Mir stockte der Atem als sich optisch bestätigte, was ich im Innersten meines Herzen bereits wusste. Die Gesichtsgardine gelüftet und zur Seite geschoben, konnte ich in das wunderbare Antlitz der asiatischen schönen Frau sehen. Sie blickte ein bisschen irritiert. Anscheinend war sie es nicht gewohnt derartige Aufmerksamkeit entbehren zu müssen. Suchend wanderten ihre Augen ruhelos durch den Schankraum, bis sie die meinen fand."


Der Greis stockte erneut in seiner Erzählung, um diesen Moment der Erinnerung noch einmal in vollen Zügen auszukosten.
"Warum hören sie auf zu erzählen? Jetzt, gerade jetzt. Das können sie doch nicht tun. Los. Erzählen sie weiter.", forderte er den ältlichen Man auf, der sein Vater hätte sein können.
"Na gut. Also passen sie auf. Unsere Blicke trafen sich und ein emotionaler Leitstrahl der gegenseitigen Anziehung zog uns von diesem Moment an."
Er hielt wieder kurz inne, denn er wusste nicht, ob ihn sein Gegenüber verstehen würde.
"Was an diesem Moment so seltsam war, war, dass ich aufeinmal wieder leise den Gesang der Sirenen hörte. Während wir nur so dastanden und uns in die Augen blickten, da schien es als verlangsame die Welt ihre Drehung. Die Umgebung verblasste und nichts als ihre Augen vermochte ich noch zu sehen. Da waren zwar Bewegungen um mich herum, aber die waren nicht länger wichtig. Ich sah nur noch ihre wunderbaren jadegrünen Augen. Sie sprachen zu mir, sie sangen zu mir und ihre Botschaft war die, dass ich sie retten musste. In ihren Augen, da wiederspiegelte sich Trauer, ob einer unerfüllten Leidenschaft in Gefangenheit. Ich versuchte ihr zu Antworten, ihr zu zeigen, das ich derjenige war, der ihr helfen würde. Anscheinend verstand sie mich, denn sie senkte ihren Blick in Scham und gleichfalls in stummer Freude. Nur für einen Moment, denn schon im nächsten Augenblick da war unsere kurz unterbrochene Verbindung auch schon wieder hergestellt.
Der Herr wurde sich des Fehlens eines seine Macht bedeutenden Bestandteils gewahr und sah sich suchend um. Sein Blick fiel auf seine Begleiterin und von diesem Augenblick an war unsere Verbindung unterbrochen, aber wir wussten beide, was geschehen war und das alles gerade erst begonnen hatte.
Der Trunkenbold in unserer Mitte war aufgewacht und bevor er beginnen konnte laut umherzuplärren beglichen wir unsere Zeche und schafften ihn aus dem Gefahrengebiet.
Beim Verlassen der Kneipe erhaschte ich noch einmal einen Blick der Zuneigung und wieder sprach sie stumm zu mir, ihre Augen schienen fragend und auch ängstlich zugleich.
"Vergiss mich nicht. Ich brauche Dich."
Dieser unschuldige flehentliche Blick sollte mich später noch zu wunderbarem Handeln ermutigen.

Den Schäfer hatten wir in die Arme genommen und halfen dem Wankenden seinen Weg nach Hause zu finden. Er stimmte ein schmutziges Liedchen an und da wir selbst schon angetrunken waren stimmten wir nach anfänglichen Zögern doch mit ein. So zogen wir von dannen. In mir jedoch bewegten sich ganz andere Gedanken. Der Blick der wunderschönen Sirene hatte mein Herz berührt.
"Was ist denn los, mein Freund? Warum singst du denn nicht mit uns? Magst du uns etwa nicht?", wurde ich von den gläsernen Augen des Schäfers angesprochen.
"Nein, nein, aber mich beschäftigt noch etwas. Lass uns Morgen darüber sprechen.", meinte ich und stimmte dann in das Lied mit ein, um ihn zu zeigen, dass auch ich an seiner penetranten Freude teilhaben konnte.
Wir lieferten den Schäfer zu Hause ab und legten ihn sogar noch bedächtig ins Bett, um die Kinder nicht zu wecken. Auch der besorgten Ehefrau versicherten wir, dass sie sich keine Sorgen machen müsse, denn der Zustand ihres Mannes würde sich bald zum Besseren wenden. Das brachte ihre sorgevollen Züge zur Entspannung und sie legte sich wieder zu dem schnarchenden Subjekt, welches einst ihr Man gewesen war. Die Haustüre zogen wir leise zu, wie versprochen.
"Dem armen Kerl muss geholfen werden."
"Das finde ich auch. Ist euch eigentlich aufgefallen, dass sich das ganze Dorf in einem... . Na ja, in einem Art inneren Zwang befindet?"
"Einem innern Zwang? Du meinst wohl, dass sich alle an der Nase herumführen lassen?"
"Genau das habe ich gemeint. Er hat sie alle irgendwie beeinflusst. Niemand glaubt noch an die alten Geschichten. Durch seine Spenden und den geplanten Bau des Krankenhauses und der Schule lenkt er ihre Gedanken."
"Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Aber wie können wir das Dorf davor schützen?"
Darauf hatten wir alle noch keine Antwort.
"Wie wäre es denn, wenn wir erst einmal das Anwesen im Auge behalten? Ich meine, dass wir es immer mal wieder aufsuchen sollten, um nach dem Rechten zu sehen. Vielleicht finden wir ja so einen Weg die Dorfbewohner zu beschützen."
"Du meinst wieder zu dem Anwesen, wie in jener Nacht?"
Unsere Blicke trafen sich bejahend.
"Ganz genau. Wir wissen alle, was wir gesehen haben und das dort etwas vor sich geht, dass absolut nicht in Ordnung ist."
"Aber absolut nicht in Ordnung.", meinte der kleine kahlköpfige der beiden.
"Ihr habt Recht. Es muss etwas geschehen. Lasst uns raus zum Anwesen gehen und sehen, was dort vor sich geht. Vielleicht sind der angebliche Herr und seine Begleiterin ja noch immer in der Dorfschenke und vielleicht finden wir ja sogar einen Weg ins Anwesen hinein."

Von der enthemmenden Wirkung der Droge Alkohol geleitet beschlossen wir tatsächlich den Weg zum Anwesen zu nehmen, ungeachtet des einsetzenden Regens und des aufziehenden Nebels. Unser Marsch führte über weitläufige Moorflächen und wir überwanden sowohl kleinere steinerne Bachläufe als auch die begrenzenden Steinwälle, welche die allgegenwärtigen Schafherden in ihre Grenzen wiesen. Dann hatten wir wieder den Ausgangspunkt unseres damaligen Erlebnisses gefunden. Das Anwesen lag wie an jenem Abend vor uns, als wiederholte sich das Geschehen vergangener Tage von Neuem. Augenscheinlich hatte sich äußerlich das Anwesen nicht verändert. In dichten Nebel gehüllt erschien es uns, wie an jenem lange vorangegangenen Abend. Die wenigen erhellten Fenster dienten uns vorzüglich zur Orientierung und durch sie erreichten wir erneut jenen Punkt, an dem wir uns auch damals befunden hatten. Der Nebel machte uns die ganze Sache nicht gerade einfacher, aber da wir schon einmal hier gewesen waren kannten wir uns etwas aus. Wie durch Watte drang das transparente Schimmern der erleuchteten Fenstern zu uns durch.
Alle hatten wir noch gut in Erinnerung, wie wir das erste Mal verbotenerweise durch das Fenster geblickt hatten und was bei dem Ritual geschehen war. Jetzt bot sich uns ein neues Bild. Kein Herr und keine Konkubine, nur die Gesichtslosen, die geschäftig bei der Arbeit waren. Ich kann ihnen sagen, es war schon ein seltsames Gefühl, diese Kreaturen bei der Verrichtung ihrer täglich Arbeit zu beobachten. Sie räumten dieses und jenes im Haus umher, scheinbar unter zeitlichen Druck stehend, als wenn an diesem Abend noch etwas ungewöhnliches geschehen würde.
Die Sicht war nicht so klar an diesem Abend, der Nebel behinderte uns in unserer Aufgabe. Die Scheiben beschlugen immer wieder durch das feuchte kalte Kondensat und wir waren gezwungen die Fenster vom haftenden Wasser zu befreien, in allgegenwärtigen Bedenken entdeckt werden zu können. Was sich so im Inneren tat, dass wussten wir noch nicht, aber aufeinmal öffnete sich die gewaltige Doppelflügelige Türe und der Herr und meine asiatische Freundin betraten den Raum. Die gesichtslosen Diener begannen sofort geschäftig das Zimmer zu organisieren, damit ihr Herr sie nicht wieder züchtigen konnte. Das ihnen zugefügte Leid sollte nicht weiter ausgeweitet werden können. Er, der Herr, nahm wieder seinen angestammten Platz ein und das Licht erlosch ein weiteres Mal und ebenso ein weiteres Mal erschien zur gleichen Zeit das grünliche Schimmern, welches erneut anschwoll und die Struktur des Inneren mutieren ließ. Binnen Sekunden hatte sich der Raum verändert, wie auch der Äußere. Der Nebel war unbemerkt noch dichter geworden und der Himmel von den zusammengezogenen Wolken verdunkelt. Dicke kalte Regentropfen hämmerten vom Himmel herab auf uns nieder, als wollten sie uns fernhalten vom Ort des Geschehens. Zum Glück waren wir auf solche Ereignisse vorbereitet, da sich hier häufiger derartige wetterbedingte Szenen abspielten. Doch dies war nicht normal. Der Regen war an diesem Abend so stark, das wir nicht sprechen konnten, ohne fürchten zu müssen mit geöffneten Mund zu ertrinken. Über die vorstehenden Kapuzen perlte er ab wie von unseren Gesichtern, die wir der Scheibe zugewandt hatten, welche unsere Neugierde befriedigen sollte. Wie gesagt hatte das Zimmer erneut seine Substanz verändert und sich zu der überdimensionalen Unterwasserlandschaft verwandelt. In ihrem Zentrum leuchtete das schwache matte grüne Licht, welches durch das unbekannte Objekt ausgelöst worden war. Bis jetzt hatten wir nicht ermitteln können, um was es sich dabei eigentlich handelte. Wieder bestaunten wir mit weit geöffneten Mündern die Szene, die sich da vor unseren Augen abspielte. Mich hatte es besonders ergriffen, denn ich allein verfügte über diese seltsame vertraute Bindung zu der Gespielin des Herrn. Es brannte mir in der Seele mitansehen zu müssen, was er dort mit ihr veranstaltete, wie er sie berührte und seelisch vergewaltigte.

Der Gesang der Sirenen war dieses Mal so laut, dass er selbst noch das ohrenbetäubende Trommelfeuer der Regentropfen auf die Umgebung übertraf. Mittels Mimik und wilden Gestiken verständigte wir uns das Anwesen auszukundschaften. Diese Seite des Gebäudes kannte wir ja nun, auch wenn wir uns noch nicht erklären konnten was tatsächlich drinnen vor sich ging. So rückten wir in geduckter Haltung weiter vor und überwanden die Längsseite und bogen um die Ecke des Gebäudes. Durch diese geschützt konnten wir endlich wieder miteinander reden, den Regen um die Ecke gebracht.
"Lasst uns versuchen ins Haus einzudringen."
"Bist du verrückt? Du hast doch gesehen, was die da drinnen machen. Willst du uns umbringen?"
"Wieso denn das? Die sind doch so mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht merken wenn wir uns im Haus umsehen. Und außerdem werden wir sonst nie herausbekommen was die für seltsame ukulte Rituale abhalten."
Er hatte Recht, auch wenn sein simpler Plan einige Gefahren barg. Die beiden stritten sich noch etwas, wohl teils aus Angst und teils aus Unwissenheit, bis ich einschritt und vermittelte.
"Was haltet ihr davon, wenn wir erst einmal das Äußere des Anwesens erkundigen? Wenn wir dann einen geeigneten Zugang finden, können wir immer noch diskutieren, ob wir ins Haus gehen oder nicht. Wir lassen einfach das Schicksal entscheiden. Wenn wir eine geöffnete Türe finden, dann durchsuchen wir das Haus und wenn nicht, dann wissen wir wenigstens etwas mehr über die Umgebung, ziehen uns zurück und überlegen, wie wir das nächste Mal vorgehen werden."
Damit konnten sich beide anfreunden. Das Schicksal sollte entscheiden. Soweit ich mich an das letzte Ritual erinnern konnte, und daran konnte ich mich sehr gut erinnern, hatte es einige Stunden in Anspruch genommen. Wir verfügten also über genügend Zeit.
Als wir das Anwesen beinahe einmal umrundet hatten und unzählige verschlossene Türen vorgefunden standen wir nun vor der letzten Membran zur Außenwelt und dem angsterfüllenden Inneren des Baus.
"So. Nun werden wir gleich wissen ob wir nach Hause gehen, oder uns unserem und dem Schicksal des Dorfes stellen müssen."
Keiner der beiden antwortete, in der stummen Hoffnung der Erfüllung seines ganz persönlichen Wunsches.
Die ganze Aufmerksamkeit lastete auf meiner Hand, die im Begriff war die antike Klinke der Türe niederzudrücken. Ich muss gestehen, dass auch ich selbst in diesem Moment von Zweifeln und Angst erfasst wurde, aber mein Unterbewusstsein sollte mir den richtigen Weg weisen. Die Klinke senkte sich langsam um ihren fixierten Angelpunkt dem Boden zu. Erschreckt nahm ich es war, denn es war nicht mein Willen gewesen, der diese Reaktion ausgelöst hatte. Mit einem gewaltigen Satz der Furcht sprang ich zur Seite, breitete beide Arme aus und riss meine beiden erschrockenen Freund im Fallen mit zu Boden. Auch sie hatten instinktiv die Gefahr erkannt und hasteten erschrocken hinter einen der wenigen Büsche des Terrains und verharrten dort in Stille und Entsetzen. Ein Lichtstrahl durchschnitt die Kälte der Nacht und eine dunkle Silhouette zeichnete sich im Türrahmen ab. Einer der gesichtslosen Diener lugte hervor und untersuchte die Umgebung nach ungebetenen Gästen, nach uns. Mein Herz und wohl auch das der anderen, pochte wie wild, so dass ich dachte, es würde gleich zerspringen, aber irgendwie schafften wir es dann doch Ruhe zu bewahren. Die Türe wurde abgeschlossen, das Geräusch eines drehenden Gegenstandes zeigte es uns an. Wir hatten für diesen Abend alles in unserer Macht stehende getan und es war Zeit nach Hause zu gehen, unseren Plan zu überdenken.


Abschließend waren wir erleichtert nach Hause geeilt und hatten noch über unser weiteres Vorgehen beratschlagt. Viel hatten wir an diesem Abend leider nicht herausgefunden. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als das Anwesen weiter zu observieren.

Noch viele Male sollten wir das Anwesen in der folgenden Zeit beobachten und währenddessen wurde mit dem Bau des Krankenhauses begonnen. Dessen gewahr stellte sich auch uns die Frage, ob der Herr denn wirklich so schlecht war, oder ob wir uns nur von schlechten Träumen leiten ließen. Der Zweifel des Materiellen erschütterte unsere feste Überzeugung ein ums andere Mal, aber sie konnte unsere innere Stimme nicht zum Verstummen bringen. Tief in uns drinnen, da wehrte sie sich dagegen vor dem Äußeren zu zerbrechen.
Im Dorf hatte sich einiges verändert. Zum einen war da der Bau des Krankenhauses und zum anderen auch, dass die Dorfbewohner den Herrn zu einem gefeierten Bestandteil ihrer selbst erhoben und ihn sogar zu ihrem Bürgermeister ernannt hatten. Es schien so, als hätten all unsere untergründigen Bemühungen keinen Sinn zu haben. Ihn öffentlich an den Pranger zu stellen waren wir zum Glück zu klug, denn das hätte höchstens zur Folge gehabt von der verblendeten Masse selbst verstoßen zu werden. Wir mussten also nach einem besseren Weg suchen, um den neuen Bürgermeister zu komprimitieren.
Wie gesagt observierten wir das Anwesen nun regelmäßig. Nahezu jeden Abend beobachtete es wenigstens einer von uns, in der Hoffnung neue Erkenntnisse zu gewinnen. In dieser Zeit wohnten wir unzähligen Ritualen bei und waren oft nahe daran entdeckt zu werden. Wir hatten aber das Glück der Aufrichtigen auf unserer Seite und so gelang es uns jedes Mal wieder unsere Präsenz zu verschleiern und einige wichtige Informationen zu sammeln. Zum Beispiel wusste wir nun, das es sich bei dem grünlich schimmernden Gegenstand um ein smaragdbesetztes altertümliches Kreuz handelte und das es sich an einem gesondert gesicherten Ort befand. Auch die gesichtslosen Diener hatten an einflößender Angst eingebüßt. Sie vermochten uns nun nicht länger abzuschrecken, da der Mensch sich ja leider an alles gewöhnt, mag es noch so seltsam und erschreckend sein im ersten Moment der Konfrontation. So zogen wir Schlüsse und verfeinerten unsere Art des Vorgehens. An einem Tag bzw. Abend da gelang es uns sogar das erste Mal ins Innere des Hauses vorzudringen bis zu der doppelflügligen Türe, hinter der allabendlich die seltsamen Rituale abgehalten wurden.

Die Türe war von bläulichem Schimmel durchsetzt und beim näheren in Augenschein nehmen, da konnten wir auch sehen, was der Grund dafür war. In kleinen glänzenden Tropfen entwich Wasser aus dem Schlüsselloch und den Ritzen der Türe, glitt hinunter am modrigen Holz und sammelte sich an ihrem Fuße in schimmernden Lachen. Das Parkett war schon Arg in Mitleidenschaft gezogen worden und quoll auf unter der allabendlichen Penetration seiner selbst. Ich drückte mich an die Türe. Zuerst das Ohr, aber der ohrenbetäubende Gesang der Sirenen ließ ihn nur noch heftiger an mich herandringen, dann setzte ich mein Auge an das Loch, das eigentlich für einen Schlüssel geschaffen war. Aber auch dieses Mal sah ich nichts weiter als das, was wir auch an den anderen Abenden vom Fenster her gesehen hatten. Wasser und Nixen, in deren Mitte und von ihnen umringt sich das Paar im eigenen Energieaustausch wand. Meine aufwallenden Gefühle mühsam beiseite geschoben wusste ich nun, dass wir entsprechend Zeit hatten die innerlichen Räumlichkeiten zu untersuchen. Nachdem auch meine beiden Begleiter ihre Neugierde befriedigt hatten teilten wir uns auf und durchsuchten die Räume im oben gelegenen Geschoss. Allzuviel Zeit hatten wir allerdings dann doch nicht, da das Ritual in seinem Zeitanspruch schwankte und wir nicht wussten, wie weit es bereits vorangeschritten war, als wir in das Gebäude eingedrungen waren."

Gebannt hatte der Zuhörer den Worten des Greises gelauscht und wartete, ja bestand auf weitere Dokumentation des damaligen Geschehens.

"Wie gesagt. Wir hatten nicht viel Zeit. An diesem Abend haben wir das Anwesen das erste Mal betreten und hatten zu unser aller Leidwesen nicht viel gefunden. Aber wir wussten nun über die Räumlichkeiten Bescheid und wie gesagt auch den Aufenthaltsort des strahlenden Kreuzes. Wir arbeiteten uns langsam aber beharrlich an unser Ziel heran, so wie wir es zu Anfang unserer Mission zuerst auch mit dem Äußeren des Anwesens erlebt hatten und Eintritt gefunden, so hatten wir nun das Innere erschlossen und würden bestimmt bald auch hier fündig werden.
Das Krankenhaus war erbaut und mit dem Bau der Schule war ebenso begonnen worden. Seitdem waren wieder einmal einige Monate erfolgloser Energieverschwendung verstrichen. Mittlerweile waren uns unsere Besuche beim Anwesen zur Gewohnheit geworden und hatten jegliche ängstliche Wirkung auf uns verloren. Die uneingeschränkte Vertrauenshaltung der Dorfbewohner dem Herrn gegenüber, welcher ja nun der neue Bürgermeister war, hatte uns bestärkt an unserem Vorhaben festzuhalten, welches auch bald darauf erfüllt werden sollte. Dies ergab sich wie folgt. Ach ja. Was ich zu Anfang vergessen hatte.", meinte der Greis.
"Ich meine zu Anfang unseres Eindringens in das Anwesen, dass wir nach Ablauf des Rituals noch einmal in jenen Raum vorgedrungen waren. Durch unsere mit der Zeit zur Gewohnheit gewordenen Besuche, wussten wir, dass die gesamte Hofschaft des Herrn nach Beendigung des Rituals in einer Art traumatischen Schlaf verfiel, welcher manchmal bis zu drei Stunden anhielt. Unsere Neugierde folgend betraten wir also den Raum und liefen über das feucht Parkett. Eine Schande einen derart kostbaren Boden so zu misshandeln. Na ja, lassen wir das. Jedenfalls stolperten wir so über die schlüpfrigen Gestalten am Boden und bahnten uns einen Weg, um die vor Erschöpfung zusammengesunkenen Kreaturen. Der Herr und die Sirene lagen noch immer vereint in der Mitte des Raumes, nackt wie Gott sie einst geschaffen hatte. Es war kein schöner Anblick für mich, denn ich wusste ja, dass sie und mich ein zartes Band der Sympathie zu Verbündeten machte. Bei diesem Anblick war ich nahe daran sie mir einfach auf die Schulter zu laden und mit in mein kärgliches Heim zu nehmen. Das durfte ich jedoch nicht, der Entdeckung wegen und so musste ich mit diesem innerlich zerrissenen Gefühl leben, aber ich wusste mit ebenso starker Gewissheit, dass wir eines schönen Tages einen Weg finden würden, eine Lösung aus dieser Misere.
Das smaragdbesetzte Kreuz lag jedenfalls gleich neben ihnen und pulsierte mit schwacher Stetigkeit. Gedankenversunken nahm ich es auf und fuhr mit den Fingern tastend darüber. Was konnte dieses Kreuz nur an Kraft bergen, was meine Sirene derartig gefügig machte? Immernoch mit diesen Gedanken beschäftigt gab ich es an die beiden weiter und auch sie strichen mit ihren Fingern forschend darüber.
"Wie wäre es denn, wenn wir das Kreuz einfach mitnehmen? Wenn es fort ist, dann können keine weiteren Rituale mehr vollzogen werden. Vielleicht haben wir es damit schon vollbracht."
"Nein.", meinte ich, meiner inneren Stimme folgend.
"Nein, das ist nicht der richtige Weg. Legt es wieder dorthin zurück, wo es war, damit sie nichts merken."
Ohne Widerworte befolgte er meine Anweisungen und legte es sachte wieder genau an die Stelle von der ich es aufgenommen hatte. Etwas regte sich im Raum, dann wieder Stille und noch mal dieses Rascheln von Kleidung. Einer der Gesichtslosen hatte sich bewegt. Mit einem Satz des Entsetzens waren wir aus dem Raum, aus dem Haus und beinahe auch schon wieder vom Anwesen verschwunden, als wir im Vorbeilaufen doch noch einen Blick ins Zimmer warfen und sahen, dass wir gerade noch mal rechtzeitig geflohen waren. Die Quelle der Unruhe waren die wiedererwachenden Diener, die sich jetzt alle mühsam aufrappelten und noch immer benommen sofort wieder ihr geschäftiges Treiben aufnahmen, ihrem Herrn den Abend zu bereiten.
Durch den heftigen Regen konnten wir gerade noch mitansehen, wie dem entblößten Paar samtene Tücher gereicht wurden, ihre Nacktheit zu verbergen, als mich die beiden im Laufe mit sich zogen.

Bevor ich zu Bett ging rief ich mir nochmal die Bilder des Abends ins Gedächtnis, doch auch jetzt konnte ich mir nicht erklären, was mich bewogen hatte das smaragdene Kreuz zurückzulassen. Mir fielen bereits die Augenlieder nieder und so beschloss ich den Herrn einen guten Man sein zu lassen und mir über alles Weitere am nächsten Tag den Kopf zu zerbrechen. In dieser Nacht träumte ich sehr intensiv, meine asiatische Sirene erschien im Traum und lächelte mir zu.
"Vielen Dank mein Held. Durch euren Besuch habt ihr das Fundament für unsere Vereinigung geschaffen."
In diesem Traum, der für mich so real war, als wäre ich wach, da sah ich und hörte die Stimme ihrer in einer derartigen Substanz, als würde sie gleich neben mir stehen. So fragte ich sie, was sie meinte mit dem Grundstein des Fundaments, welchen wir gelegt haben sollten. Ihr wissendes Lächeln hypnotisierten mich und ihre jadenen Augen strahlten zu mir herüber, als wollten sie mich blenden.
"Durch die Berührung eurer Hände des smaragdenen Kreuzes habt ihr es entweiht.", klärte sie mich im Schlafe auf.
"Macht euch aber keine Sorgen, denn es war gut. Durch die Berührung eurer Hände nehmt ihr ihm die Energie, die sie auf uns ausübt. Macht weiter so und wir werden unser Ziel erreichen."
Ihre Silhouette begann zu flackern, wurde instabil, doch ich rief sie wieder zurück, in Angst sie zu verlieren. Durch mein Anrufen ihrer in tiefer überzeugter liebevoller Angst kehrte sie noch einmal zu mir zurück. Die Konturen nahmen wieder feste Substanz an und sie erschien mir erneut in voller Pracht. Dieses Mal jedoch, da sprach sie nicht wieder, sondern bewegte sich nur zu mir hin und gab mir einen Kuss, der meine Sinne beflügelte.
"Macht nur weiter so, dann werden wir bald zusammen sein."
Sie lächelte mir noch einmal zärtlich zu und dieses Lächeln sollte ich noch lange vor mir sehen. Jedes Mal, wenn in mir Zweifel oder Furcht anwallten, war mir diese wunderbare Szene wieder vor Augen. Dann entschwand sie, gleich wie beim ersten Mal, aber dieses Mal vorerst endgültig.



Am folgenden Tag erwachte ich mit einem fiebrigen Gefühl. Meinen Traum, der leider ein solcher war, hatte ich noch immer sehr real vor Augen. Da ich nun die Lösung des Problems kannte, bzw. hinter das Geheimnis des im Anwesen residierenden Gesellschaft gekommen war konnte ich dem hereinbrechenden Abend nur entgegenfiebern. Ihr Gesang hallte noch den gesamten Tag über in meinem Ohr wundervoll wieder und auch das Bild ihrer ließ mich das Eine um das Andere Mal am Tag in Träume entgleiten.
So war es also. Wir hatten, ohne es zu wissen, das smaragdene Kreuz entweiht. In diesen Tagträumen, die so beschwingende Wirkung auf mein Gemüt ausübten, sponn ich den Faden der ohnehin schon vorweggenommenen Zukunft weiter und sah sie bereits vor mir, wie ich sie nach einem der kräfteraubenden Ritualen auf meine Schultern lud, so wie ich es mir schon am Abend zuvor vorgestellt hatte und sie mit zu mir nach Hause nahm. Dort legte ich sie sanft auf mein Bett, eingehüllt in den umworfenen Stoff, zu ihrem Schutz. Ihr süßes gebrechlich wirkendes Köpfchen lag auf meinem Schoß und als sich ihre Augen endlich öffneten, da blickte sie unverwandt direkt in die Meinen. Nur ein ganz kleiner Moment der Verwirrung, der unerwarteten Umgebung wegen und diesen gewahr da huschte ein Schimmer unendlicher Freude über ihr Gesicht. In meinem geistigen Vorstellungsbild änderten sich ihre Züge und ein feuchter Film der Erleichterung bildete sich in ihren Augen, sammelte sich und rann in Form einer dicken salzigen Träne über ihre Wange. Dies hatte ich nicht gesehen. Erst als der warme Tropfen auf meine Haut traf, da bemerkte ich ein leises unterdrücktes Schluchzen. Sorgevoll nahm ich ihren Kopf in meine Hände und drehte ihr kleines weinendes Köpfchen mir zu.
"Was ist denn los? Jetzt ist doch wieder alles in Ordnung.", versuchte ich sie zu beruhigen.
"Du brauchst nicht mehr traurig zu sein. Alles ist wieder gut."
"Das ist es nicht.", schluchzte sie.
"Ich bin nicht traurig. Meine Tränen sind der Liebe voll. Tiefe Dankbarkeit erfüllt mein Herz., tiefe Dankbarkeit euch gegenüber."
Sie entwand sich zärtlich meinen Armen und schickte sich an dem Boden zu nähern und mir in freudigen Kotau zu huldigen. Mit sanfter Gewalt gelang es mir sie zurückzuhalten.
"Nicht meine Liebe. Das ist Deiner unwürdig." und zog sie wieder sanft zu mir.
Ohne ein weiteres Wort ließ sie mich gewähren, schmiegte sich an mich und wollte mich von nun an nie wieder missen.

Dieser wunderbare Traum fand mich noch mehrere Male am Tag und jedes Mal wieder, wenn er sein schönes Ende gefunden hatte, da erstrahlte ich in zufriedener Energie. Die Hand auf meiner Schulter riss mich aus meiner Traumwelt in die Realität zurück. Diese konnte mir nichts mehr anhaben, da ich doch jetzt schon wusste, wie die Geschichte enden würde. Es war der kleine Dicke von meinen beiden getreuen Mitverschwörern und jetzt sah ich auch den dritten in unserem Bunde hinter ihm stehen. Gleich wollten sie wissen, warum ich denn so glücklich sei und erzählte es ihnen gerne.

An den folgenden Tagen waren wir wieder jeden Abend zu Gast beim Anwesen, wenn auch ungeladen, in der Hoffnung durch unser intensives Betatschen des smaragdenen Kreuzes dem Fortschreiten der Dinge nachhelfen zu können. Dann, eines Tages, es sollte etwa eine Woche her sein, nachdem wir das smaragdene Kreuz das erste Mal berührt hatten, erzählte uns eine betagtere Witwe von einem seltsamen Ereignis im Dorf. Sie wirke verstört und ihre sonst so aufwendig toupierte Haarpracht war ungewohnt zerzaust und auch ihre ganze Art wirkte durcheinander. Sorgenvoll erkundigten wir uns nach ihrem Wohlbefinden.
"Was ist denn geschehen?"
Sie erzählte es uns zusammenfassend aber dennoch sehr ausführlich. Einer der Diener des Herrn war ihr im Lebensmittelgeschäft des Dorfes begegnet. Ganz gewöhnlich also, wie es im ersten Moment schien. Aber als sie zusammen an der Kasse warten mussten, da hatte er sich auf einmal verändert. Zuerst begannen seine Augen wild umher zu rollen, sie wurden gleichzeitig auch immer kleiner und schließlich verschwanden sie ganz in den toten Höhlen seines Schädels. Nur noch zwei rosettenartige konzentrische gesonderte Hautfaltenpaare zeugten davon, dass dort einmal Augen gewesen waren. Vor Schreck hatte sie ihre gesamten Einkäufe fallen lassen. Sie bückte sich sie zu sortieren und als sie sich wieder traute ihren Gegenüber anzuschauen, da hatte er doch wieder Augen. Scheinbar eine optische Täuschung. Doch als sie dem Vorfall noch nachsinnierte, da begann es von Neuem, aber dieses Mal gleichfalls mit Mund und Nase. Das war zuviel für sie gewesen. Wild schreiend und sich die wohl toupierten Haare raufend war sie aus dem Laden gerannt.

Scheinbar hatten unsere fortschreitenden Entweihungen des smaragdenen Kreuzes endlich seine Wirkung gezeigt. Mit Genugtuung hörten wir der Dorfbewohnerin zu, die mit Schrecken weitere derartige Geschehnisse schilderte. Wie ein Leitfaden zog sich die Bahn der Verschreckten durch das ganze Dorf, bis hin zu dem bereits beendeten Bau des Krankenhauses. Das an diesem Ort stetige Treiben der neu immigrierten Fachkräfte war ein neuerlicher Pfuhl des Seltsamen. In panischen Massen strömten die Kranken aus dem Bau mit apathisch weit aufgerissenen Pupillen und Händen am Kopf raufend. Wir drei standen fassungslos vor dem dargebotenen Bild, wie ein Fels in der Brandung, der die Massen teilte. Gleich einer Flüssigkeit, die aus einem Loch in einer Backform strömt, taten es ihm die Menschen gleich, vergaßen ihre Heiler und gleichermaßen ihre Krankheiten. Der kleine Dicke versuchte einen der Flüchtenden zu halten, um zu dem Grund ihrer Panik vorzudringen, aber er riss sich wieder los und rannte davon. So mussten wir, um der Ursache willen, ins Gebäude vordringen. Dies war nicht ganz einfach, denn der Strom schien nicht abreißen zu wollen. Dann hatten wir es aber doch irgendwie geschafft und uns wurde sofort klar, warum sie davon liefen. Die gesamte Belegschaft hatte keine Augen, keine Nasen und keine Münder. Da war uns klar, dass wir uns näher als je zuvor an unserem vorgesteckten Ziel befanden. Der schwer lastende Vorhang der Täuschung war gelüftet worden und die Macht des neuen Herrn in seinen Grundmanifesten erschüttert. Heute Nacht würde das letzte Ritual stattfinden.
Unter all den angespannten und angsterfüllten Gesichtern war meines das Einzige das lächelte.

An diesem Tag war das Dorf aus seiner Lethargie erwacht. In kleinen Gruppen standen sie zusammen und tuschelten beratschlagend, was zu tun sei, wie man die Masse der Identitätslosen kontrollieren könne. Wir hingegen wussten, was wir zu tun hatten und widmeten uns nicht weiter den unkonstruktiven Überlegungen der Dorfbewohner. Ein letztes Mal nahmen wir den Weg zum Anwesen auf, ganz gleich wie stürmisch das Wetter an diesem Abend auch war, wie stark der sintflutartige Regen auch auf uns einhämmerte. Nichts konnte uns an diesem Abend von unserer felsenfesten Überzeugung abbringen, auch nicht der zu dieser Jahreszeit so seltsam einsetzende Hagelschauer, der immer heftiger und aggressiver auf uns nieder schlug. Der Herr schien sein Anwesen auf Teufel komm raus verteidigen zu wollen. Das sich der Himmel verdunkelt hatte und der Regen in Sturzbächen auf uns nieder drosch, all das waren wir doch schon gewöhnt. Wir lebten schließlich in Schottland. Sein Einfallsreichtum beleidigte uns. Aber der folgende Hagelschauer, der fast vogeleigroße Bälle gefrorenen Wassers auf uns niederschoss verfehlte uns nur um Haaresbreite bevor wir den schützenden Dachüberstand erreicht hatten. Die herannahende Gefahr unterschätzt befanden sie sich wieder im Ritual der Erneuerung ihrer Energien gefangen und so konnten sie uns auch nichts entgegensetzen, als wir das letzte Mal ins Anwesen eindrangen. Wie so oft zuvor fanden wir auch dieses Mal wieder die Geschöpfe am Boden vor, liegend in den feuchten Resten ihres bösen Spiels. Wie in meinem Traum löste ich seine asiatische Gespielin aus der Umklammerung des Herrn und einer meiner Verbündeten nahm das smaragdene Kreuz in sichere Verwahrung seiner selbst. So lud ich sie mir auf die Schulter als während unserer sanften Flucht auf einmal erregte Laute an unser Bewusstsein drangen. Das mussten die Dorfbewohner sein und sie waren es nach einem bestätigenden Blick aus dem Fenster tatsächlich, mit Sensen und allem zum Kampf und zur Vertreibung geeignetem bewaffnet. Es galt schnell zu handeln, wollten wir nicht dem aufgebrachten ängstlichen Mob in die Hände fallen. Der Lärm der herannahenden Masse wurde lauter und drängte zum schnellen Rückzug. Durch den Hintereingang, den wir schon einmal beinahe betreten hatten entflohen wir der vorrückenden Gefahr und ließen das Anwesen im ungemütlicher Atmosphäre hinter uns. Wie sich die Situation zugespitzt hatte so hatte sich auch der Himmel verändert und das Spiel der Elemente. Mit ohrenbetäubendem Getöse durchschnitt der erste Blitz den Himmel in zwei Hälften, die so aussahen als wollten sie sogleich zu beiden Seiten auseinanderbrechen.

Der Herr und seine gesichtslosen Diener waren durch die Unruhe aus ihrem komaartigen Schlaf erwacht. Das Fehlen der Sirene und des smaragdenen Kreuzes steigerte nur ihre Konfusion. Wild rannten sie im Raum umher, fanden aber nichts des Gesuchten. Ein schauerlicher Aufschrei der Verzweiflung durchschnitt die Nacht ein zweites Mal, im Wissen die Garanten seiner Macht eingebüßt zu haben. Der Schrei war so schmerzhaft schauderlich, dass es mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Meine Intuition zeigte mir, dass wir nun die Beute waren und nicht länger mehr Jäger. Zwar befanden wir uns schon in einiger Entfernung vom Anwesen, aber als ich diesen Schrei hörte, da wusste ich dass der Herr alles daransetzten würde meine süße kleine Frau wiederzubekommen. Ach ja, und auch das Kreuz.
Im schützenden Schatten der Bäume bewegten wir uns fort, bis wir der Meinung waren entsprechend genügend Abstand zwischen uns und dem Anwesen gebracht zu haben und einen Blick zurück wagten. Der hell erleuchtete Punkt nahe des Anwesens zeigte uns, dass wir gut daran getan hatten das Weite zu suchen. Da tobte der aufgebrachte Mob der Dorfbewohner mit ihren Fackeln und Sensen. Aus dem Anwesen kamen gleichermaßen erzürnt die gesichtslosen Diener des Herrn und so standen sich die beiden feindlich gesinnten Parteien gegenüber. Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Einerseits konnten wir nicht zulassen, dass jemand zu Schaden kam, andererseits konnten wir aber auch nicht zurück, da wir sowohl die Sirene als auch das smaragdene Kreuz entwendet hatten und so beschlossen wir sie sich selbst zu überlassen, wenigstens einmal für den Moment.

Der Rest spielte sich nahezu wie in einem meiner zahlreichen Träume ab. Mein Heim erreicht bette ich sie nieder und wachte über sie. Meine beiden treuen Sympathisanten aber wollten wissen, was an diesem Ort des Konflikts geschah. Aus Gründen der Sicherheit riet ich ihnen das Kreuz mitzunehmen. Vielleicht konnte es ja irgendwie hilfreich sein.

Wie mir der kleine Dicke später berichtete waren sie zurück zum Anwesen gelaufen und hatten das Treiben erst einmal aus sicherer Entfernung beobachtet. Viel hatten sie nicht vorgefunden. Wie es aussah waren die verfeindeten Gruppen aufeinander losgegangen. Einige waren verletzt worden und der aufgebrachte Mob belagerte nun das Anwesen, in das sich die gesichtslosen Diener zurückgezogen hatten und darin verbarrikadiert. Sie drohten ihnen das Anwesen mit ihren Fackeln anzuzünden. Meine beiden Kumpanen liefen zu der Menge und als sie sich dem Anwesen und den darin befindlichen Kreaturen näherten, da geschah abermals etwas sehr ungewöhnliches. Ich würde es sogar mysteriös nennen, denn das smaragdene Kreuz begann von innen her zu glühen, gleich wie bei den Ritualen, die wir schon so oft beobachtete hatten, aber immer noch nicht so recht verstanden. Er holte es hervor und seine Aura verbreitete Aufmerksamkeit. Die aufgebrachte Menge hielt Inne in ihrem Tun in Offenbarung des Ungewohnten und selbst die ungezügelten Naturgewalten unterbrachen ihr zerstörerisches Werk. Es wurde still um sie. Mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen wartete jeder auf eine Reaktion. Doch es gab keine, jedenfalls nicht sofort. Ruhe war eingekehrt und die Dorfbewohner scharrten sich um das glühende Kreuz. Ohne es zu bemerken hatte sich auch die Türe des Anwesens geöffnet, welche noch Augenblicke zuvor so fest verrammelt gewesen war und die identitätslosen Kreaturen hatten sich unbemerkt unter die Menge gemischt. Auf einmal waren sie wieder Eins im Bestaunen der Kraft des Kreuzes. Wie magisch hielt es sie in seinem Bann gefangen und gerade als sich einer der Blicke von dem Kreuz löste und sich der Präsenz der verfeindeten Gruppe gewahr wurde, da begann das Kreuz guthörbar zu flimmern mit einer derartig starken Schwingung, dass es sein derzeitige Besitzer nicht länger halten konnte. Überrascht sah er, wie sich seine Finger aus der verkrampften Haltung aufbogen und sich das gekreuzte edelsteinbesetzte Relikt aus seiner Hand löste und schwebte von nun an im Raum hoch über ihren Köpfen. Die unzähligen Augenpaare waren ihm gefolgt und erlebten nun mit, wie ein gewaltiger Blitz es traf und zum Glühen brachte, nur um sich ihre Aufmerksamkeit zu sichern. Mit Erfolg. Der Himmel öffnete sich und ein vereinzelter aber dafür um so intensiver strahlender grüner Lichtkegel hüllte sie alle in sein Licht. Das Kreuz drehte sich um die eigene Längsachse und die reflektierenden Strahlen trafen auf jeden einzelnen der kunstvoll eingefassten Smaragde. Diese wiederum brachen das Licht und dünne Strahlen trafen auf die Gesichtslosen Kreaturen. Es muss ein unglaubliches Spektakel gewesen sein. Nur zu gern hätte ich es auch mitangesehen. Die grünen Strahlen eng gebündelt wie sie waren hatten sich kurz vor den nicht existenten Gesichtern der Diener geteilt und fanden ihr Ziel im Zentrum ihrer Wunden. Kleine grellgelbe Sterne stoben aus ihnen heraus und heilten die zugefügten Wunden, ihre Schrunden bildeten sich zurück und gaben ihre gefangenen Identitäten nach langer Zeit endlich wieder frei. Der Fluch war gebrochen. Im Angesicht dieses schier unglaublichen Geschehens war jegliche Feindseligkeit untereinander dem Erstaunen des stets allgegenwärtigen Massengeist gewichen und von der Situation benommen wusste sich so niemand recht zu verhalten. Mit diesem wundervollen Ereignis, das sie alle miteinander teilten waren eben die Wunden und jegliche Feindseligkeit aus den Herzen der Dorfbewohner entwichen. Nahezu liebevoll, als wäre ihnen ihr Handeln peinlich, kümmerten sie sich nun um die verwirrten Geister der neugeborenen Kreaturen. Sie waren aufgrund ihrer Gegenwart derartig verwirrt, dass sie sich nicht zu orientieren wussten, aber die Dorfbewohner nahmen sich ihrer an und leiteten sie.
So war der bevorstehenden Lynchung doch noch mal Einhalt geboten worden und fast alles hatte sich zum Guten gewendet.“

Damit beendete der Greis sichtlich zufrieden seine Geschichte, aber der Zuhörer weilte in bildlich gegenwärtigen Gedanken noch immer in der für ihn so real gewordenen Vergangenheit. Zu Anfang der Erzählung hatte er sich des öfteren gefragt, ob die Geschichte wirklich wahr wäre oder ob es sich um Fischermannsgarn handelte. Aber mit der Zeit war er in eine eigene parallel gewordene Realität eingetaucht. Er konnte die Personen vor sich sehen und sie waren fester Bestandteile dieser neuen imaginativen Realität geworden, gleich als wären es Personen seiner Umgebung. Er wollte aber dann doch noch wissen was aus dem Herrn geworden war, aus der Sirene und was mit den gesichtslosen Diener geschehen war, die sich zwar zurück verwandelt hatten, aber die gleichermaßen ihr gesamtes Erinnerungsvermögen eingebüßt hatten.



Die Türe wurde von Außen her geöffnet und im Licht zeichnete sich eine zierliche Silhouette ab. Sie trat ein in den dunklen Raum und stellte sich hinter den alten Man.
"Na, mein Schatz. Es ist spät geworden. Wollt ihr den Abend nicht beschließen und Morgen weiter erzählen?"
"Wir sind fast am Ende. Nur noch ein paar Minuten und dann komme ich wieder zu dir."
Das befriedigte sie in ihrer Absicht und sie nickte dem Zuhörer im Weggehen zu, in Begrüßung und gleichzeitigem Abschied. Der Schein der heruntergebrannten Kerzenstummeln hatte aber für einen kurzen Moment ihre horizontal geschlitzten mandelförmigen Augen aufblitzen lassen. Der Zuhörer erschrak in der plötzliche Erkenntnis. Das musste die asiatische Sirene sein.
Die Türe hatte sich wieder geschlossen und sie war aus dem Raum, genauso schnell wieder entschwunden, wie sie ihn betreten hatte. Der Greis lächelte wissend, denn er hatte den Gesichtsausdruck seines Zuhörers gesehen, wie er ihren kurzen liebevollen Dialog beigewohnt hatte und wie sein erstarrter Blick ihr gefolgt war, bis sich das Licht hinter ihr schloss.
"War sie es? Ich meine war sie die Sirene?"
Der Greis lächelte noch immer, antwortete nicht direkt, sondern nickte nur vielsagend. Nach kurzer Zeit sprach er dann aber doch.
"Ja, das war sie in der Tat. Sie ist meine Frau und wir haben seitdem eine wundervolle Zeit zusammen verbracht. Aber, um ihre Fragen zu beantworten. Der Herr war seit diesem Abend verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Einige meinten, dass er durch die Heilung der Diener so viel an Macht eingebüßt hatte, dass er selbst vergangen ist und andere wiederum glaubten dass er einfach nur aus der Region geflohen ist. Wie auch immer. Die Hauptsache ist doch das er weg war und keinen Einfluss mehr auf das Dorf und seine Bewohner ausüben konnte. Für mich genügte es jedenfalls, denn ich wusste ja das wir das smaragdene Kreuz hatten und damit auch den Grundstein seiner Macht. Wo immer er sich befinden mochte, so hatte er keinerlei Macht mehr über die Menschen. Und sehen sie mal hier.", dabei erhob er sich aus seinem gemütlichen Sessel, ging zu einer alten Truhe und entnahm ihr einen Gegenstand, welcher eingewickelt in samtenen Stoff, geschützt wurde.
Er nahm es heraus, das smaragdene Kreuz. Jetzt sah es trübe aus, doch im Schein der flackernden Kerzen brach sich das Licht kurz in den Fassetten der grünen Edelsteine und spaltete das Selbige für einen kurzen Moment auf, der aber doch genügte um den gesamten Raum in schillernder grüner Helligkeit erstrahlen zu lassen. Der Greis nahm das Kreuz und brach es in Zwei.
"Jetzt.", er grinste ihn an.
"Jetzt ist es für alle Zeit vorbei."


Ende 20.04.200

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